„Krone“-Reporter Robert Fröwein flaniert durch die Stadt und spricht mit den Menschen in Wien über ihre Erlebnisse, ihre Gedanken, ihre Sorgen, ihre Ängste. Alltägliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.
In Österreich gibt es einen geflügelten Satz, der auf dem politischen Parkett in fast schon regelmäßiger Wiederholung verwendet wird: Es ist schon wieder was passiert. Vergangene Woche gar doppelt. Zuerst sorgte eine privat organisierte Reise einer FPÖ-Delegation zu den Taliban nach Afghanistan für Wirbel, ein paar Tage später ging ein Video von Bundeskanzler Karl Nehammer viral, in dem er in weinseliger Runde gegen die Sozialpartnerschaft poltert, den Hamburger einer bekannten Fastfood-Kette als passend „warme Mahlzeit“ für von Armut betroffene Kinder bezeichnet und in Teilzeitverhältnissen steckenden Frauen rät, doch einfach mehr zu arbeiten, wenn sie mehr Geld verdienen möchten.
Was nach klassischem Stammtischwirtshausniveau klingt, passierte nun also tatsächlich in einem solchen Rahmen. Der Leak des Videos könnte dem ÖVP-Kanzler über kurz oder lang einen Strick drehen. Nicht erst seit Straches Ibiza-Affäre verfolgt man politische Ausritte hierzulande mit einer Mischung aus schadenfrohem Amüsement und echtem Ärger. Dass sich der aber gerne auf die Werte des legendären Leopold Figl berufene Bundeskanzler auf derartiges Holzhammer-Niveau begibt, verwundert die breite Masse übermäßig. Nicht zuletzt deshalb, da aufgrund der galoppierenden Teuerungen und einer nicht enden wollenden Inflation immer mehr Bürger Richtung Armutsgefahr rutschen, über die Nehammer in dem sechsminütigen Video süffisant referiert.
Die Empörungswellen schlugen sich im Internet gewohnt sarkastisch nieder. Draußen auf der Straße, wo die Angesprochenen ihren Alltag bewältigen müssen, schwingt das Stimmungspendel zwischen entsetzt und entrüstet. Die Schimpfworte meines Trafikanten möchte ich an dieser Stelle keinesfalls eins zu eins wiedergeben, etwas galanter formulierte ein sehr guter Freund seine Kritik. „Der Kanzler verdient mehr als 20.000 Euro im Monat und will uns erklären, was wir zu tun haben und was nicht? Was wir essen sollen und was nicht? Ist der vollkommen daneben?“ Selbst langjährige, der ÖVP zugewandte Menschen können mit der Holzhammer-Rhetorik wenig anfangen. Sie wünschen sich Lösungsvorschläge und vor allem eine respektvolle Form eines Miteinanders - über die Parteigrenzen hinweg.
„Früher einmal waren Politiker Volksvertreter“, erläutert mir ein Bekannter, mit dem ich kurz nach Aufkommen des Videos ins Gespräch komme, „per se sind sie dazu da, um dem Volk zu dienen und für das Volk zu arbeiten. Das ist aber seit Jahren nicht mehr der Fall. Sie sonnen sich in den Kameras und an der Macht und sind überheblich.“ Schon im Kindesalter lernen wir - der Fisch beginnt beim Kopf zu stinken. Wenn der Bundeskanzler sich - wenn auch ursprünglich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt - sprachlich und inhaltlich auf ein solches Niveau begibt, dann muss er mit Gegenwind und Empörungswellen aus dem Volk rechnen. Zum Volk gehören von Armut gefährdete Menschen genauso wie vermögende oder zumindest finanziell abgesicherte. Wer aber nicht in sein Volk horcht, der kann es nicht wahrnehmen und verstehen. Das richtige Zuhören ist eine Fähigkeit, die dieser Gesellschaft zunehmend verlustig geht.
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