Bundeskanzler Karl Nehammer sieht sich mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Aussagen des ÖVP-Chefs, aufgenommen auf einem Handy in privater Runde, sorgen für ordentlich Empörung. In einer Reaktion darauf wiederholt Nehammer jetzt just genau das, wofür kritische Stimmen eine Entschuldigung gefordert haben.
„Hast du schon die Diskussion auf Social Media um ein Video von mir gesehen?“, eröffnet der Bundeskanzler sein Statement auf X (vormals Twitter). Nehammer trägt, wie immer, einen Österreich-Pin am Sakko, steht zudem betont staatsmännisch vor zwei Flaggen. Die der Republik und die der Europäischen Union.
Hier sehen Sie das gesamte Statement:
Nach eigener Aussage hätte er kürzlich bei einer Veranstaltung mit ÖVP-Funktionären „einige Themen“ angesprochen. Themen, die ihm wichtig seien. Bei dem Treffen Ende Juli in Hallein legte der Bundeskanzler Eltern armutsgefährdeter Kinder beispielsweise ans Herz, öfter Fast-Food-Filialen von McDonalds aufzusuchen. Dort seien die Burger zwar nicht gesund, aber billig.
Nehammer verteidigt seine Aussagen
Zudem fragte sich der Kanzler, warum Frauen so oft in Teilzeit arbeiten würden. Alle Aussagen finden Sie hier im Überblick. Wie sieht Nehammer seine recht unverblümten Worte heute? „Ich stehe dazu, dass sich Leistung lohnen muss. Und ich stehe dazu, dass Eltern eine Fürsorgepflicht für ihre Kinder haben“, zeigt sich der ÖVP-Chef überzeugt.
Um diese Handyaufnahme geht es:
Er bleibe dabei, dass Selbstbestimmung und Eigenverantwortung wichtig seien. Während Nehammer „für dieses Land arbeite“, seien andere offenbar bereits im Wahlkampfmodus. „Wir (die ÖVP, Anm.) glauben an das Gute für dieses Land. Wir glauben an Österreich. Und das sind keine leeren Worte“, betont der Bundeskanzler nach der breiten Kritik an seiner Person.
Er lasse sich dieses Österreich nicht schlechtreden. Anschließend zählt Nehammer zum wiederholten Mal auf, was seine Regierung bereits für die Republik geleistet habe: Antiteuerungsmaßnahmen oder die Abschaffung der kalten Progression etwa. Die Menschen hätten nun „mehr Netto am Konto“.
„Schlechtredner“ sollen es besser machen
Daraufhin spricht er jene Personen an, die sich durch seine Brandrede in Hallein besonders angegriffen fühlten: sozial benachteiligte Familien. „Zusätzlich zur Familienbeihilfe und anderen Sozialleistungen, die jetzt mit fast zehn Prozent erhöht werden, werden für sozial benachteiligte Familien 60 Euro pro Person pro Monat ausbezahlt“, skizziert Nehammer sein Programm.
„Die Schlechtredner“ sollen das erst einmal besser machen, so der Kanzler. Wer davon spreche, dass es in Österreich für Kinder keine warme Mahlzeit gebe, stelle dieses „Land in ein falsches Licht“. Schließlich seien wir im globalen Vergleich besonders reich. Nehammer wiederholt seine Worte aus Hallein: „Jedes Kind muss in Österreich eine warme Mahlzeit bekommen.“ Dafür hätten aber Vater und Mutter die Verantwortung.
Nehammer glaubt an Österreich
Wenn trotz oben angeführter Punkte noch immer Menschen überfordert seien mit der Situation, meint Nehammer, greife in Österreich „das soziale Netz, das durch arbeitende Menschen finanziert wird“ und sagt damit durch die Blume, dass vor allem jene Personen unter der Teuerung leiden oder der Betreuung ihrer Kinder nicht nachkommen würden, die nicht bereit seien, zu arbeiten.
Der Bundeskanzler schließt sein Statement mit den Worten: „Und deshalb glaube ich an Österreich. Weil wir eine solidarische und starke Gemeinschaft sind, die denen hilft, die Hilfe brauchen.“
Breite Kritik an Nehammer
Empört über Nehammers Aussagen in geselliger Runde zeigen sich ÖGB, Caritas, die Opposition und der grüne Koalitionspartner. SPÖ-Chef Andreas Babler sieht etwa „einen Bundeskanzler, der die Leute für etwas verachtet, das er selbst zu verantworten hat“. FPÖ-Chef Herbert Kickl empfindet Nehammer als „empathielos, abgehoben, eiskalt“.
Wer sagt, dass in Österreich niemand hungert oder friert, hat von der Wirklichkeit der Menschen keine Ahnung.
Caritas-Chef Michael Landau
Bild: Gerhard Bartel
Klare Worte kamen am Mittwochabend auch von Caritas-Präsident Michael Landau. „In Österreich muss niemand verhungern oder im Winter erfrieren. Weil wir in der Geburtsortslotterie einen Haupttreffer gezogen haben. Aber wer sagt, dass in Österreich niemand hungert oder friert, hat von der Wirklichkeit der Menschen keine Ahnung“, schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst.
Auch der Koalitionspartner übt scharfe Kritik:
Die Volkshilfe, die in einer Aussendung darauf hinwies, dass Mangelernährung bei Kindern kein Mythos sei, kritisiert Nehammer ebenfalls: „Wenn sich der Bundeskanzler der Republik Österreich hinstellt und den armutsbetroffenen Familien ausrichtet, sie sollen den halbwarmen Burger aus dem Fast-Food-Restaurant als adäquate Ernährung ansehen, dann ist das zynisch“, sagte die Kinderarmutsexpertin Hanna Lichtenberger.
Urheberschaft geklärt
Zur Urheberschaft des Videos meldete sich Donnerstagabend die ÖVP-Salzburg zu Wort. Es sei von einem Besucher aufgenommen worden, „der es an Freunde und Gruppen weitergeleitet hat, weil er von den klaren Aussagen des Kanzlers zum Mittelstand, zu Leistung und Eigenverantwortung begeistert war“, hieß es.
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