"Unverständlich"

Bestechung von Politikern de facto straffrei

Österreich
23.02.2012 09:13
Der U-Ausschuss zu diversen Korruptionsaffären untersucht seit einigen Wochen unter anderem den angeblichen Gesetzeskauf durch die Telekom Austria. Was dem damaligen Verkehrsminister Hubert Gorbach hierbei vorgeworfen wird, nämlich der Erlass einer an sich rechtskonformen Verordnung gegen Bezahlung im Jahr 2006, ist 2009 vom Gesetzgeber de facto straffrei gestellt worden. Ein "Fall Gorbach" ist also nicht mehr möglich, wie Experten nun kritisieren. "Was hat den Gesetzgeber da geritten?", meint etwa Politikwissenschaftler Hubert Sickinger.

Zur Erinnerung: Gorbach wird vorgeworfen, 2006 eine für die Telekom günstige Universaldienstverordnung erlassen und dafür später Geld erhalten zu haben. Der Ex-Minister bestreitet die Vorwürfe, auch das BZÖ weist jeden Zusammenhang zwischen der Verordnung und den Telekomgeldern zurück.

Im Jahr 2006 hätte die Geschenkannahme im Zusammenhang mit einer an sich rechtskonformen Amtshandlung für einen Minister durchaus gefährlich werden können. Das Strafrecht bedrohte die "Geschenkannahme durch Beamte" nämlich (abhängig von der Höhe der Zuwendung) mit bis zu drei Jahren Haft.

Strafbestimmung 2009 entschärft
Von der großen Koalition wurde diese Strafbestimmung wenig später allerdings - von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt - in einem wesentlichen Punkt entschärft - und zwar im Herbst 2009, gemeinsam mit der Entkriminalisierung des sogenannten "Anfütterns". Für öffentliche Amtsträger (also etwa Beamte und Regierungsmitglieder) ist die Geschenkannahme im Zusammenhang mit einer an sich rechtskonformen ("pflichtgemäßen") Amtshandlung seither nur noch dann strafbar, wenn auch das Dienstrecht eine Vorteilsannahme untersagt. 

Dies kann zwar für Beamte zutreffen, nicht jedoch für Politiker - denn ein Dienstrecht für Politiker existiert schlicht nicht. Die Bestechung von Ministern, Landeshauptleuten, Landesräten und Bürgermeistern ist seitdem daher in Österreich weitgehend straffrei. Damit könnte nun also auch Gorbach - falls ihm die Annahme von Geld nachgewiesen werden kann - strafrechtlich nicht mehr belangt werden. Für ihn würde nämlich das sogenannte Günstigkeitsgebot schlagend werden, wonach nicht die zum Tatzeitpunkt geltende Rechtslage angewendet wird, sondern die für den Angeklagten günstigste.

"Völlig unverständliche Entkriminalisierungen"
"Das ist eine dieser völlig unverständlichen Entkriminalisierungen", kritisiert Strafrechtsexperte Helmut Fuchs. Ähnlich sieht es auch der Politikwissenschaftler Sickinger, der die Gesetzesänderung 2009 seit Jahren scharf kritisiert: "Da fragt man sich wirklich: Was hat den Gesetzgeber da geritten? War das Absicht, oder haben sie nur nicht bedacht, wie weit sie die Entkriminalisierung da treiben?"

Sickinger erinnert auch daran, dass die Entschärfungen auch im Justizministerium selbst nicht unumstritten waren. So kritisierte der frühere Sektionschef Wolfgang Bogensberger die Novelle als "Korruptionsstrafrechtsaufweichungsgesetz".

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