Angespannte Lage
Ehemalige Politiker in Bergkarabach festgenommen
Nach Aserbaidschans Rückeroberung der Region Bergkarabach haben bisher fast 99.000 Menschen Zuflucht in Armenien gesucht (siehe Video oben). Auch der frühere Verteidigungsminister Lewon Mnazkanjan hätte nach Armenien wollen, wurde aber gefasst, teilte der Grenzschutz am Freitag mit. Er sei in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku gebracht worden.
Mnazkanjan war von 2015 bis 2018 Verteidigungsminister der international nicht anerkannten Republik Bergkarabach. Vor ihm war bereits der frühere Regierungschef der Region, Ruben Wardanjan, festgenommen worden. Am späteren Freitagabend wurde schließlich noch die Festnahme eines ranghohen Kommandanten der pro-armenischen Kämpferinnen und Kämpfer gemeldet. Er müsse für vier Monate in Untersuchungshaft, weil er unter anderem verdächtigt werde, an „terroristischen“ Aktivitäten beteiligt gewesen zu sein.
Insgesamt haben inzwischen fast 99.000 Menschen Zuflucht in Armenien gesucht. Sie hätten ihre Heimat gezwungenermaßen verlassen müssen, sagte Regierungssprecherin Naseli Bagdassarjan am Freitag. Laut offiziellen Angaben leben 120.000 Karabach-Armenierinnen und -armenier in der Region. Somit haben bereits 80 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner die Region verlassen.
Beobachter kommen
Die Vertriebenen seien ängstlich und blickten sorgenvoll in die Zukunft, sagte Kavita Belani, die Vertreterin des UNHCR (UNO-Flüchtlingshochkommissariats) in Armenien per Video aus Jerewan. Sie hätten mit 90.000 Flüchtlingen gerechnet, aber die Erwartungen müssten angepasst werden. Familien verbrannten ihr Hab und Gut, damit es nicht in aserbaidschanische Hände fällt.
Stéphane Dujarric, Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, kündigte unterdessen eine UN-Mission in Bergkarabach an. Das zehnköpfige Team unter der Leitung von Mitarbeitern des UN-Büros für humanitäre Angelegenheiten (Ocha) werde bereits ab dem Wochenende „versuchen, die Lage vor Ort zu bewerten und den humanitären Bedarf zu ermitteln, sowohl für die Menschen, die bleiben, als auch für die, die fliehen.“
Als Folge des aserbaidschanischen Militäreinsatzes vor eineinhalb Wochen sei „ein Massenexodus von Armeniern aus Bergkarabach im Gang.“
Ankömmlinge erschöpft
Der Manager der Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften in Armenien, Hicham Diab, sagte, viele Ankömmlinge seien zu erschöpft, um über ihre Erlebnisse zu berichten. Sie bräuchten psychosoziale Hilfe, um die Flucht zu verarbeiten. Beide Organisationen appellierten an die internationale Gemeinschaft, Armenien bei der Aufnahme der Geflüchteten finanziell zu helfen. Krankenhäuser hätten kaum mehr Ressourcen, angesichts der einsetzenden Kälte würden „dringend“ Unterkünfte benötigt.
Das autoritär regierte Aserbaidschan hatte in einer Militäroffensive in der vergangenen Woche die seit Jahrzehnten umkämpfte Region gänzlich zurückerobert. Die Führung der international nicht anerkannten Republik Arzach hatte danach kapituliert und in dieser Woche auch die Selbstauflösung mit 1. Jänner 2024 beschlossen.
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