Für seinen Einstand an der Grazer Oper hat Intendant Ulrich Lenz viel gewagt - und ebenso viel gewonnen! Jacques Offenbachs unvollendete Oper „Hoffmanns Erzählungen“ hat er gleich vier Regie-Teams anvertraut.
Dass Jacques Offenbach seine Oper „Hoffmanns Erzählungen“ als Fragment hinterließ, eröffnet zahlreiche Möglichkeiten, mit dem Werk umzugehen. Intendant Ulrich Lenz hat gleich vier Regie-Teams mit der Umsetzung der drei Akte sowie der Rahmenhandlung beauftragt. Und das Wagnis ist gelungen!
Filmische Animation
Schon der „Olympia“-Akt zeigt eine fantastische Lösung für die Geschichte eines Mannes, der sich in eine mechanische Puppe verliebt. Man fühlt sich in den filmischen Animationen des britischen Kollektivs 1927 nicht nur in das „Cabinet des Dr. Caligari“ versetzt, die Aktionen der Sänger sind auch perfekt auf die Projektionen abgestimmt. Eine surreale Szenerie, die viel schwarzen Humor beinhaltet.
Puppenmagie und düstere Choreografie
Die Klappmaulpuppen des Theatermagiers Neville Tranter haben immer schon große Tragödien in kleinen Gesten vermittelt. Das gelingt ihm auch im „Antonia“-Akt. Und die niederländische Choreografin Nanine Linning transferiert die „Giulietta“-Episode aus der schwülstigen venezianischen Demi-Monde in eine bedrohlich wogende Spiegelwelt, in der Schatten locker sitzen.
In einem engen, einsamen Raum siedelt Tobias Ribitzki seine Rahmenhandlung an, zeigt den verzweifelten Dichter in all seiner Tragik, selbst die trinkfreudigen Studenten wirken hier wie eine bösartige Meute, die Hoffmann ins Unglück treibt.
Überraschende Querverbindungen
So unterschiedlich die Ansätze der Teams sind, so machen sie doch überraschende Querverbindungen zwischen den Teilen deutlich. Auch der stets präsente Bühnenraum lässt ans große Welttheater denken, in dem menschliches Tun seine Bedeutung verliert, sobald der Vorhang fällt.
Überzeugende Ensembleleistung
Lenz stützt sich in der ersten Produktion seiner Intendanz auf sein Ensemble. So steht der neue erste Kapellmeister Johannes Braun am Pult der Grazer Philharmoniker, gemeinsam wird - von kraftvoll bis subtil - ein farbenreiches Bild gezeichnet. In der Titelpartie liefert Matthias Koziorowski einen Kraftakt, der seinen lyrischen Tenor mitunter an die Grenzen führt. Doch darstellerisch kann er alles wettmachen. Auch Petr Sokolov als vierfach böser Gegenspieler beeindruckt mit schöner Stimme und exquisitem Spiel, in dem auch das Dämonische seiner Rollen besser zum Ausdruck kommt.
Fantastisch die Frauen: Allen voran Anna Brull als spielfreudige, stimmstarke Muse/Nicklausse. Tetiana Miyus begeistert als lyrische Antonia. Intensiv gestaltet Mareike Jankowski die Giulietta, verspielte Koloraturen kommen von Tetiana Zhuravel als Olympia. Die kleineren Rollen sind mit Daeho Kim, Mario Lerchenberger, Peter Oh und Neven Crnić edel besetzt. Dazu kommt noch der hervorragende Chor.
Ein mehr als gelungener Einstand, der einen hinreißenden Opernabend bietet.
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