Seit der Vertreibung aus Bergkarabach fanden 100.000 Menschen Zuflucht in Armenien. Dort sorgt sich der Wiener Pater Andreas um Menschen, denen sämtliche Hoffnung genommen wurde.
„Es ist eine Katastrophe: Menschen weinen, sind traumatisiert, hungrig und schwach. Viele wissen nicht, wo ihre Verwandten sind. Auch wenn ihnen die armenische Regierung Zimmer und Hotels zur Verfügung stellt, so herrscht unter den Vertriebenen Verzweiflung. Sie haben alles verloren: Haus, Hof und vor allem ihre Heimat“, so schildert Pater Andreas Isakahyan die Lage aus der Grenzstadt Goris.
Fehlgeburten, Hungertote und Aussichtslosigkeit
Er ist mit weiteren drei Österreichern vor Ort. „Es herrscht das pure Chaos. Etliche schlafen auf der Straße. Hier in knapp 1400 Meter Seehöhe sind die Tage heiß, die Nächte bitterkalt“, so der 43-Jährige.
Das größte Problem allerdings sei die Psyche der Menschen. „Sie haben neun Monate eine Blockade durchgemacht, in der sie kaum zu essen hatten. Wo sie keine Medikamente bekamen und viele Schwangere Fehlgeburten erlitten, da es auch keine normale Nahrung gab. Stundenlanges Anstellen für ein Stück Brot. Etliche sind verhungert. Und diese Menschen nennt man ,Occupier‘ (Besetzer) und Terroristen“, so der geschockte Geistliche.
Eine Vertriebene hat sogar geschildert, wie ein Vater, der für seine Kinder Granatäpfel pflückte, deshalb von aserbaidschanischen Soldaten geköpft wurde. Grauenhafter Horror des Glaubenskrieges zwischen Islamisten und einer christlichen Minderheit.
„Wie soll man das sonst nennen als Völkermord!“
Aserbaidschan hat alles blockiert! Hörbar betroffen bringt der Pater im „Krone“-Telefonat die apokalyptische Lage auf den Punkt: „Ich weiß nicht, wie man das sonst nennen könnte – außer Völkermord! In fünf Tagen sind 100.000 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben worden. Aus einem Gebiet, wo bereits im 4. Jahrhundert die armenische Schrift gelehrt wurde.“
Für den engagierten Priester steht fest: „Das ist der zweite Völkermord nach 1915 an den Armeniern. Und die Weltgemeinschaft schaut wieder einmal weg!“ Russland habe offenbar mit den Aserbaidschanern einen Deal gemacht, damit EU-Sanktionen umgangen werden können.
„Kann denn ein kleines Land wie Armenien mit drei Millionen Einwohnern überhaupt 100.000 Vertriebene aufnehmen?“, so die Journalistenfrage. „Es gibt keine Alternative“, antwortet Pater Andreas. Deshalb liegt seine Hoffnung darin, „dass Sanktionen gegen das aserbaidschanische Regime wegen der Gräueltaten und des Völkermordes ausgesprochen werden“.
Schönen Politikerworten müssen auch Taten folgen
Viele Außenminister hätten schon Statements zur katastrophalen Lage abgegeben. Aber schönen Worten müssten nun auch Taten folgen. „Damit das armenische Leben, das es seit so vielen Jahrhunderten in Bergkarabach gibt, nicht im September 2023 endet.“
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