In ihrer Heimat USA wurde Anastacia nie zum Star, im deutschsprachigen Raum liegt man der 55-jährigen Reibeisenstimme seit Jahrzehnten zu Füßen. Mit „Our Songs“ veröffentlichte sie dieser Tage ein Album mit Cover-Versionen von deutschen Acts, die sich zu eigen gemacht hat. Ein Gespräch über Peter Maffay, melodische Österreicher und die Schwierigkeit, seine Memoiren niederzuschreiben.
Die Grundidee ist gar nicht einmal so abwegig, aber trotzdem wurde sie in dieser Form so noch nicht umgesetzt: Sich als amerikanische Interpretin einfach einmal zwei gute Handvoll deutsche Songs zu schnappen und sich textlich und musikalisch zu eigen zu machen. Power-Röhre Anastacia wurde vor etwa einem Jahr von einem Produzenten darauf gebracht und fühlte sich von der Idee zu Beginn noch vor den Kopf gestoßen. „Ich war anfangs wirklich skeptisch, denn so etwas steht normal nicht auf der Bucket-List einer Künstlerin“, lacht die sympathische Mittfünfzigerin im „Krone“-Interview, nachdem sie bei der „Starnacht aus der Wachau“ live überzeugte, „ich habe dann aber erfahren, dass es ein solches Projekt in der Form noch nie gab und es klang interessant. Als wir dann die Songs wählten und weiter recherchierten, bin ich der Idee völlig verfallen und habe mich mit Feuereifer in das Projekt geworfen.“
Kleine Freiheiten gewährt
Die Mischung für das Album „Our Songs“ fiel dabei so bunt und eklektisch aus, wie die deutsche Musiklandschaft aussieht. Aus „Tage wie dieser“ von den Toten Hosen wurde „Best Days“, Johannes Oerdings „An guten Tagen“ heißt bei Anastacia „Now Or Never“ und der Unheilig-Klassiker „Geboren um zu leben“ mutiert bei der kleinen Amerikanerin zu „Born To Live“. Anastacia gewährte sich die Freiheit, auch die Texte auf Englisch anzupassen und nicht eins zu eins zu übersetzen, weil die Rhythmik und die Sinnerfassung zerstört hätte. „Es war nicht so leicht, die Rechte für all das zu bekommen, aber als wir sie endlich in der Tasche hatten, machte die Arbeit daran großen Spaß. Für mich war es härtere Arbeit als bei eigenen Songs. Ich hatte zum Beispiel lange das Problem, den Refrain von Unheilig richtig zu erwischen und bei Oerdings Nummer musste ich textlich viel herumschrauben. Ich habe als Sängerin und Songschreiberin enorm viel dazugelernt, denn für mich waren die Songs ja neu.“
Gekannt habe Anastacia im Vorfeld nur Sarah Connor, weil beide zu einer ähnlichen Zeit ihren großen Durchbruch hatten. Dass Peter Maffay etwa „der deutsche Bruce Springsteen“ sei, lernte sie erst später. Das Lied „Just You“ wurde dann gar zum Duett und es wurde sogar ein gemeinsames Video gedreht. „Künstlerisch hat es sofort richtig gefunkt. Ich war anfangs verunsichert, ob das zu zweit klappen würde, aber es funktionierte fantastisch.“ Ein bisschen leichter fielen ihr freilich jene Songs deutscher Interpreten, die schon im Original auf Englisch gesungen wurden. Etwa der Scorpions-Klassiker „Still Loving You“, Alphavilles Kultstück „Forever Young“ oder der Kelly-Family-Evergreen „An Angel“. Und die einstigen Teenie-Idole Tokio Hotel haben „Durch den Monsun“ früher schon selbst in einen „Monsoon“ verwandelt. „,Supergirl‘ von Reamonn war der größte Wackelkandidat“, schmunzelt die Sängerin, „ich kannte den Song vorher auch nicht und es hat nicht sofort geklickt. Heute könnte ich mir aber nicht mehr vorstellen, ihn nicht zu singen.“
Gemeinsam erfolgreich
Auch wenn „Our Songs“ rein technisch ein Coveralbum ist, hat es für den Großteil der Welt einen ganz anderen Charakter. „Fans von mir, die nicht im deutschsprachigen Raum leben, werden den Großteil dieser Lieder wahrscheinlich noch nicht kennen. Für sie sind es einfach neue Anastacia-Songs, die vielleicht ein bisschen anders klingen, als man es gewohnt ist. Das bedeutet im Endeffekt auch, dass die Originalinterpreten im besten Fall noch einen Push für ihre Musik bekommen.“ Den Titel „Our Songs“ hat sie mitunter auch gewählt, weil sich die Lieder nun erweitert und verbreitert haben. „Ich singe eure Songs und so werden sie zu einem Stück meiner persönlichen Geschichte. Die Single ,Beautiful‘ von Sarah Connor ging in meiner Version in Portugal auf Platz eins der Charts. Natürlich gehören mir diese Lieder nicht, aber ich trage sie in meiner Art und Weise authentisch vor.“
Dass ein solches Projekt bei dementsprechendem Erfolg nicht nach einem Album enden muss, hat sich Anastacia natürlich schon überlegt. „Wir haben schon jetzt viele Songs nicht verwendet, die ganz gut auf das Album gepasst hätten. An einem weiteren Album führt über kurz oder lang wohl kein Weg vorbei.“ Und was ist mit uns Österreichern? „Josh. würde sich perfekt eignen, ich mag seinen Song ,Expresso & Tschianti‘. Eure Musik ist noch etwas melodischer und zugänglicher als der Pop der Deutschen. Es gibt eine gewisse Lockerheit, die ihr Österreicher besitzt. Außerdem ist er ein cooler und humorvoller Typ - schauen wir mal.“ Auch außerhalb der deutschen Sprachebene wäre noch einiges möglich. „Durchaus, aber wir wollen es nicht übertreiben. Falls wir aber wirklich auf die Idee kommen sollten, das Projekt auf andere Sprachen auszudehnen, haben wir mit Deutsch wenigstens die schwierigste hinter uns gebracht.“
Memoiren müssen warten
Ein Album mit brandneuen, selbstgeschriebenen Songs ist derzeit nicht in Sicht. „Ich begab mich 2020 sofort auf Songwriting-Camps, aber dann kam Corona und ich habe die Idee wieder verworfen.“ Seit einigen Jahren schiebt sie auch schon die konkrete Überlegung einer Autobiografie nach hinten. Mehrmals hatte Anastacia kundgetan, sie würde sich gerne von Seiten zeigen, die der Öffentlichkeit nicht bekannt sind. „Kennst du jemanden, der während Corona kein Buch veröffentlicht hat? Eben, es hat jeder gemacht. Auch das habe ich aufgeschoben“, lacht sie, „ich möchte das mit einer Vertrauensperson machen, die auch wirklich Geduld hat, um tief in mein Leben zu blicken. Aber ich habe keine Eile“, erklärt sie, die bereits einen Brustkrebs und schwere Herzprobleme überstand, „ich bin ja noch am Leben und mache Musik. Da bleibt noch genug Zeit für die Memoiren.“
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