Eine Reihe kurioser Zufälle begleitete den Tag, an dem der österreichisch-ungarische Physiker Ferenc Krausz zum Nobelpreisträger gekürt wurde. Zufällig war Tag der offenen Tür an seinem Forschungsstandort bei München, zufällig schaute er sich gerade ein Interview mit der Medizin-Nobelpreisträgerin an, und er hob nur zufällig ab, als ihn das Nobelpreiskomitee anrief.
Nachdem er beim Tag der offenen Tür am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Garching bei München Besucher durch Labore geführt hatte, brauchte Krausz am Dienstag gegen 11 Uhr eine Pause. In der wollte er „etwas Nützliches tun“, und begann, ein Interview mit Katalin Karikó, der am Montag frisch gebackenen Medizin-Nobelpreisträgerin, anzuschauen, erzählte Krausz am Dienstag vor Journalisten.
„Wurde schnell klar, dass ich nicht auflegen kann“
Lange konnte er seiner ungarischen Landsfrau nicht zu hören, denn da klingelte sein Handy. Auf dem Display stand „No Caller ID“ - eine unterdrückte Nummer. Bei solchen Anrufen könne man „mit dubiosen Anliegen konfrontiert werden“, so der Wissenschaftler. „Ich dachte, jetzt ausnahmsweise probiere ich es mal. Dann wurde sehr schnell klar, dass ich diesmal nicht auflegen kann“, erzählte er.
Von der Nachricht des Nobelpreiskomitees, dass ihm gemeinsam mit seinem Kollegen Pierre Agostini und der Kollegin Anne L‘Huillier, die höchste Auszeichnung für Verdienste in der Physik zugesprochen werde, fühlte er sich „absolut überwältigt“, erklärte der Physiker. „Ich versuche seit elf Uhr festzustellen, ob ich jetzt in der Realität bin oder ob es ein langer Traum ist. Es gibt Anzeichen, dass es die Realität sein könnte“, so Krausz mit einem Augenzwinkern. „So ein Preis gebietet hohe Demut“, wurde er wieder ernst.
Pionier in der Attosekundenphysik
Bei der Pressekonferenz erläuterte der Leiter der Abteilung für Attosekundenphysik am MPQ für Laien, woran er forscht: „Wenn man schnell bewegende Objekte verfolgen will, braucht man eine schnelle Kamera“. Elektronen bewegen sich in einer Attosekundenspanne. Durch die experimentellen Methoden von L’Huillier, Agostini und Krausz wurde es möglich, Attosekunden-Lichtblitze zu erzeugen und somit Elektronenbewegungen messen zu können (siehe auch Grafik unten).
Der praktische Nutzen davon? „In unserem biologischen Leben bilden die Elektronen den Klebstoff zwischen den Atomen, aus denen die Moleküle bestehen. Wenn man deren Funktionsweise besser verstehen will, führt am besseren Verständnis von Elektronenbewegungen kein Weg vorbei“, betonte der 61 Jahre alte Physiker.
Große Studie mit Blutproben
Der Physiker und seine Kollegen in der Attosekundenphysik am MPQ forschen seit Jahren daran, wie diese Methoden in der Medizin anwendbar sind. Zusammen mit der Ludwig-Maximilian-Universität in München und dem Center for Molecular Fingerprinting (CMF) in Budapest wurde eine große Studie gestartet. Dabei wird mit Medizinern zusammengearbeitet, die Blutproben bereitstellen. Diese werden mit Infrarotlicht durchleuchtet, die Moleküle im Blut strahlen dann ein Signal aus, das mit Attosekundenmesstechnik abgetastet wird.
„Wir können daraus schließen, aus welchen Molekülen das Blut zusammengesetzt ist“, erläuterte der Physik-Nobelpreisträger. Das könne dann etwa Aufschluss über eine Krebserkrankung, koronare Herzerkrankungen oder Diabetes geben.
Forschung seit Jahrzehnten
Die Grundlagen der Attosekundenphysik liegen in den 1980er- und 1990er-Jahren, auch Krausz forscht seit Jahrzehnten. 2001 gelang es ihm und seinem Team an der TU Wien erstmals, aus extrem ultraviolettem Licht einzelne Lichtblitze im Attosekundenbereich zu erzeugen und zu messen.
Der Nobelpreisträger würdigte auch die Leistungen seiner Co-Laureaten, Anne L‘Huillier und Pierre Agostini, sprach aber auch die Leistungen von Paul Corkum von der Universität Ottawa (Kanada) an, der die Auszeichnung - hätte es das Reglement der Nobelpreis-Akademie zugelassen, die die maximale Anzahl von Laureaten auf drei Personen begrenzt - „mit verdient hätte“. Krausz betonte, wie wichtig die instiutionelle Förderungen für solche Forschungen sind, die viel Geld brauchen, aber „wo man nicht weiß, ob das am Ende gut wird“.
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