Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) trifft am kommenden Dienstag den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Ankara. Bei dem Arbeitsbesuch stünden „wirtschafts- und migrationspolitische Themen sowie aktuelle geopolitische Entwicklungen, insbesondere Russland/Ukraine“, im Fokus, wie eine Sprecherin des Bundeskanzleramts am Mittwoch erklärte.
Die Einladung in die Türkei hatte Erdogan bei einem Telefongespräch mit Nehammer Anfang Juni ausgesprochen. Österreich und die Türkei feiern 100 Jahre diplomatische Beziehungen.
Nehammer mahnte Erdogan nach Wahlsieg
Das Telefonat mit Erdogan, das nach den Wahlen in der Türkei und den teils nationalistischen Siegesfeiern in Wien stattfand, bot dem Kanzler auch die Gelegenheit, Respekt einzumahnen. Er wies gegenüber dem wiedergewählten Präsidenten darauf hin, „dass, wenn türkische Staatsbürger in Österreich auf den Straßen feiern, der Respekt gegenüber dem Gastgeberland nicht verloren gehen darf“, hatte Nehammer berichtet. „Erdogan hat ja da einen gewissen Einfluss.“ Nach den ausgelassenen Feiern am Reumannplatz in Wien-Favoriten hatte die Polizei Ermittlungen wegen des Zeigens des Wolfsgrußes eingeleitet. Wegen des verbotenen Grußes der rechtsextremen „Grauen Wölfe“ gab es auch Anzeigen.
Israelische Fahne über Bundeskanzleramt erzürnte Türkei
Bilateral war die Stimmung zwischen Wien und Ankara längere Zeit frostig gewesen. Es sind auch deftige Worte gefallen. So „verfluchte“ Erdogan Österreich etwa 2021, als die Bundesregierung unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die israelische Fahne über Bundeskanzleramt und Außenministerium hissen ließ. Der türkische Parlamentspräsident Mustafa Sentop bemerkte im September 2021, dass „neben Fremdenfeindlichkeit auch Türkeifeindlichkeit und Islamophobie fast zu einem festen Bestandteil der österreichischen Politik geworden“ seien.
Weil sich Österreich für den Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei starkgemacht hatte, blockierte das NATO-Land Türkei die NATO-Kooperation des österreichischen Bundesheers seit 2016. Auch bei der Genehmigung für die archäologischen Grabungen in Ephesos, an denen österreichische Archäologen beteiligt sind, gab es immer wieder Probleme von türkischer Seite.
Zusammenarbeit mit NATO „wieder im vollen Umfang möglich“
Unter der Regierung Nehammer begann sich das Verhältnis zu entspannen. Nach zweijähriger Unterbrechung durften österreichische Archäologen ab Mai 2022 wieder in der antiken Stadt Ephesos graben. Im April des Vorjahres stimmte die Türkei einem zwischen Österreich und der NATO ausverhandelten individuellen und maßgeschneiderten Partnerschaftsprogramm für die Jahre 2021 bis 2024 zu. Die Zusammenarbeit zwischen Österreich und der NATO im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden war damit „wieder im vollen Umfang möglich“, wie das Außenministerium erklärte.
Ende Juni 2022 kam es zu einem Treffen zwischen Erdogan und Nehammer. „Wir wollen den begonnenen Weg der Annäherung und den konstruktiven Dialog fortsetzen“, erklärte Nehammer damals nach dem Meinungsaustausch mit Erdogan am Rande eines NATO-Gipfels in Madrid. Die Türkei sei in Sicherheitsfragen und beim Thema illegale Migration ein wichtiger Partner, sagte der Bundeskanzler und erwähnte auch die „Millionen von Flüchtlingen, die sich derzeit in der Türkei aufhalten“.
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