Im Großen Schwurgerichtssaal im Wiener Landesgericht startete am Dienstag der brisante Betrugsprozess gegen den ehemaligen Betreiber der „Alt-Wien“-Kindergärten. Doch nicht nur der 81-Jährige steht vor der Richterin, sondern auch seine vier erwachsenen Kinder - drei Frauen und ein Mann - sowie eine frühere Mitarbeiterin. Es geht um schweren Betrug, Untreue und betrügerische Krida mit einem Schaden von 36 Millionen Euro.
Die unglaubliche Anklage gegen den Pensionist und die fünf Mitangeklagten, für die die Unschuldsvermutung gilt, umfasst 301 Seiten. Sie zeichnet das Bild eines Selbstbedienungsladens, der seinesgleichen sucht. Die Vorwürfe der WKStA betreffen die Jahre 2009 bis 2016. Dem Gericht steht ein Mammutverfahren bevor.
36 Millionen Euro Steuergelder
Der betagte Erstangeklagte hatte den multikulturellen Kindergarten 1966 selbst gegründet, zuerst als Einzelunternehmen. 1996 wurde der Verein gegründet, in den die einzelnen Betreuungsstandorte nach und nach eingegliedert wurden. Sämtliche Vereinsorgane waren Familienmitglieder.
„Er hat sieben Jahre lang gegenüber der Stadt Wien vorgetäuscht, den Verein Alt-Wien als gemeinnützigen Verein zu betreiben und für die Kindergärten Vollförderung erhalten. So hat er 36 Millionen Euro Steuergelder zu Unrecht bezogen. Ein Teil dieser Fördergelder wurde auch zweckwidrig entnommen. Wir sprechen hier von 16 Millionen Euro“, leitet die Staatsanwältin ein. In Wirklichkeit sei der Verein nicht gemeinnützig gewesen: „Der Verein war auf Gewinnerzielung und Vermögensvermehrung aus.“
Anklage betrifft die Jahre 2009 bis 2016
Erst 2016 flog der mutmaßliche Betrug im Rahmen einer Prüfung der Stadt Wien auf. Die Frage, die sich bei näherer Betrachtung sofort stellt: Warum ist ein derart dreister Förderbetrug in der Höhe von 36 Millionen Euro mit zweckentfremdeter Mittelverwendung von 16 Millionen Euro nicht schon viel früher aufgefallen?
Massagestuhl bis Pelzmantel
Denn die Ausgaben waren dreist: „Ein Großteil floss in Immobilien und deren Instandhaltung“, sagt die Staatsanwältin. „Es wurden beispielsweise zwei Häuser in Bad Aussee gekauft.“ Bizarr sind die Entnahmen für private Zwecke: So wurden mehrere private Luxusautos, darunter ein Cabrio zum Kaufpreis von 99.570 Euro, aus Vereinsgeldern bezahlt, zahlreiche Reisen und Luxusgüter - vom Massagestuhl bis zum Pelzmantel. „Er hat ganz genau gewusst was er tut und gezielt die Buchhaltung manipuliert“, sagt die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer.
Alle Familienmitglieder bekennen sich nicht schuldig
Der 81-Jährige Richard W. bekennt sich nicht schuldig. Sein Anwalt plädiert auf einen Freispruch. Die erwachsenen Kinder, denen Geldwäsche vorgeworfen wird, bekennen sich ebenfalls nicht schuldig: „Für Geldwäsche müsste man wissen, dass die Mittel aus einer Straftat stammen. Und das wussten sie nicht“, sagt Verteidiger Lukas Kollmann. Die mitangeklagte frühere Angestellte des Erstangeklagten bekennt sich indes schuldig.
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