Es ist nicht mehr zeitgemäß, Hunde als Waffe zu missbrauchen. Deshalb fordert die „Krone“, dass Hundetrainings, bei denen Tiere bewusst scharf gemacht werden, entschlossen verboten werden. Dieser Forderung schließen sich zahlreiche Experten und auch Hundetrainer an.
„Seppi“ ist ein entzückender, verspielter Rüde. Er liebt es, sich vor allen Menschen auf den Rücken zu werfen, um sich den Bauch kraulen zu lassen. Ob Erwachsene, Kinder oder andere Hunde - er liebt sie alle. Sein Besitzer besuchte natürlich mit ihm auch die Hundeschule und absolvierte auch einige Prüfungen. Der Trainer attestierte dem Hund Unsicherheiten und empfahl mit einer Einheit in Schutzausbildung, das vermeintlich mangelnde Selbstvertrauen des Tiers zu stärken.
Sehr skeptisch willigte der Besitzer ein und berichtet im Gespräch mit der „Krone“-Tierecke: „Sofort herrschte ein rauer Ton, ,Seppi’ und auch ich waren mit der Situation vollkommen überfordert.“ Der Rüde weigerte sich, einen weiteren Trainer - dessen Arm mit einem Schutzbeißarm versehen war - zu attackieren. Immer wieder wurde versucht, „Seppi“ mit lautem Geschrei dazu zu animieren. Sogar mittels Stöcken wollte man das Tier aus der Reserve locken.
Trainer benötigen keine qualifizierte Ausbildung
„Ich habe das Training abgebrochen und diese Schule verlassen“, so der Besitzer. Szenen wie diese spielen sich täglich ab, weiß auch ein Insider zu berichten, der anonym bleiben möchte. „Wenn man sich die Realität auf den Hundeplätzen ansieht, ist es besser, man verbietet es komplett.“ Das Gewerbe ist nicht geregelt, es gibt hier viele schwarze Schafe. Um Hundetrainer zu sein, benötigt man keinerlei Ausbildung oder Zertifikate. Kein Wunder also, dass so mancher Hund verstört aus der Hundeschule kommt.
Starke Lobby
Vor allem, wenn es um die von vielen Vereinen so hochgelobte Schutzausbildung geht. Damit würde der Beutetrieb des Hundes gestärkt und außerdem könne er seinem Jagd-, Spiel- und Beißtrieb nachkommen. Viele Hundevereine wie der ÖKV halten schützend die Hand über diese Art der Ausbildung, die nach ihrer Ansicht einfach „Sport“ ist und in diesen Kreisen als „IGP“ (Internationale Gebrauchshundeprüfung) bezeichnet wird. Eine sehr antiquierte Ansicht, und man fragt sich, wo der sportliche Gedanke ist, wenn man ein Tier auf einen Menschen hetzt?
Training endet mit Genickbruch
Laut dem Insider sind sogar Fälle bekannt, wonach Hunde an Genickbruch starben, weil sie aus 20 Metern Entfernung mit Vollgas auf den Schutzhelfer geschickt wurden.
Ein großes Problem liegt auch darin, dass Hunde im Schutz ausgebildet werden, bevor überhaupt die grundlegenden Kommandos sattelfest sind. Im aktuellen Fall „Elmo“ kann man darüber nur noch mutmaßen. Denn mittlerweile sind Bilder aufgetaucht, die „Elmo“ bei einer solchen Schutzhundeausbildung zeigen. Die Ermittlungen wurden deshalb auf grob fahrlässige Tötung ausgedehnt.
Der beste Freund als gefährliche Beißmaschine
Abseits der entbrannten Debatte über Listenhunde, Beißkorbpflicht und Gesetzesänderungen stellen Experten und die „Krone“ nun die Schutzausbildung von Hunden komplett infrage. „Krone“-Tierecke Chefin Maggie Entenfellner ist diese schon lange ein Dorn im Auge.
„Ich fordere ein striktes Verbot, Hunde für private Zwecke derartig scharf zu machen“, so Entenfellner. „Es ist absolut unverständlich, warum ich Gehorsam daran fest machen muss, dass ein Hund einen Menschen anfällt und wieder ablässt. Gehorsamkeit kann man auch anders trainieren. Ja, ein Hund braucht geistige und körperliche Auslastung! Aber dafür gibt es genügend andere sportliche und spielerische Möglichkeiten wie Fährtensuche oder Agility.“
Wesensverändernd für den Hund
Unter der Schutzhundeausbildung ist de facto nichts anderes zu verstehen als das Scharfmachen eines Hundes. Dabei wird der natürliche Verteidigungsinstinkt so ausgebaut, dass ein möglicher Angreifer auch gebissen und attackiert wird. Das geht mit hoher Belastung für Körper, Stresspegel und Psyche des Hundes einher.
Auch Zoologe und Verhaltensforscher Udo Gansloßer sagt: „Hunde, die auf diese Weise trainiert werden, haben ein deutlich und erkennbar eingeschränktes soziales Verhalten, weil sie in Alltagssituationen nicht mehr normal auf den Menschen als Sozialpartner reagieren können.“
Das geht mit hoher Belastung für Körper, Stresspegel und Psyche des Hundes einher. Es ist fraglich, wie sehr derartig trainierte Hunde in Alltagssituationen normal auf Menschen reagieren können.
Eva Persy, Wiener Tierschutzombudsfrau
Bild: TOW/Christian Houdek
Nur noch für Diensthunde
Eigentlich verständlich! Denn wenn ein Hund darauf trainiert wird, Menschen zu attackieren - und sei es nur auf den Beißärmel -, dann verändert dies mit Sicherheit etwas im Verhalten des Tieres. Die Schutzarbeit und entsprechende Ausbildung sollte nur noch Einsatzkräften vorbehalten sein, denn dort gelten strenge Sicherheitsvorkehrungen. So tragen Polizeihunde im Dienst in der Regel einen Maulkorb, der im Einsatz und in der Hitze des etwaigen Gefechts vor einem Biss schützt.
Jeder Hund kann scharf gemacht werden
Im privaten Bereich braucht ein Hund keine scharfe Ausbildung, um Haus und Hof zu sichern, denn er hat einen natürlichen Wachinstinkt. Mit einer Schutzhundeausbildung liegt der Vergleich zu einer ungesicherten Waffe auf dem Küchentisch nahe. Doch was ist das Gebot der Stunde?
Auch Karl Weissenbacher vom Messerli Institut der veterinärmedizinischen Universität Wien stimmt in diesen Tenor ein: „Für mich ist Schutzhundesport archaisch und sollte tatsächlich nur noch für Diensthunde möglich sein. Das sollte man so im Tierschutzgesetz verankern.“
Das große Problem ist auch, dass viele die Ausbildung einfach abbrechen. Dann lernt der Hund nie, dass er auf Kommando auch wirklich wieder ablässt.
Karl Weissenbacher, Messerli Institut der Vetmed Universität Wien
Bild: Reinhard Holl
Politik ist gefordert
Der Ball liegt erneut beim Gesetzgeber, denn eines muss klar sein: Scharfe Hunde sind wie Waffen zu behandeln und können zur Gefahr werden - sowohl in der Öffentlichkeit als auch im Privaten. Die befragten Experten und auch Stimmen aus der Szene selbst sind sich einig, dass hier Handlungsbedarf besteht.
Eine sogenannte Schutzausbildung sollen künftig nur noch Diensthunde absolvieren dürfen - und dies ausschließlich unter der Anleitung von qualifizierten Experten. Denn wenn der Trieb des Tieres einmal geweckt ist, der Mensch aber nicht in der Lage ist, die Situation zu entschärfen, sind weitere tragische Vorfälle wohl nur eine Frage der Zeit.
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