Eine üppige Erscheinung, dazu die jaulende Fender Stratocaster und eine aus allen Pore sprießende Liebe zum Blues - so präsentiert sich der New Yorker Popa Chubby seit knapp 40 Jahren auf den Bühnen dieser Welt. Am 17. Oktober kommt er mit neuem Livealbum wieder in den Wiener Reigen. Man darf sich auf einen Blues-Tsunami freuen.
Die nach außen hin ruppigsten Gesellen sind ganz tief drinnen meist kuschelweiche Teddybären. Das weiß man nicht erst seit dem zurecht Oscar-veredelten Meisterstück „The Green Mile“ mit Tom Hanks. Zur angesprochenen Spezies zählt zweifellos auch Theodore Joseph Horowitz, der unter seinem Aliasnamen Popa Chubby seit knapp vier Dekaden für unverfälschten und ursprünglichen Blues steht, von dort aber auch gerne einmal gen Funk, Soul oder Jazz ausschert. Der 63-Jährige mag in seiner Bewegung behäbig wirken, sobald aber seine Finger über die geliebte Fender Stratocaster flitzen, fühlt man sich mit geschlossenen Augen im sumpfigen New Orleans oder der rustikalen Bronx verortet. Dort wurde Popa Chubby 1960 geboren und für die Welt gestählt. In einem New York voller Gewalt und Unruhen, das mit dem Glanz des „Big Apple“ von heute wenig zu tun hat.
Vor Richard war nichts
In dieser Umgebung lernte Horowitz nicht nur nachhaltig fürs Leben, sondern verliebte sich auch in Musik. Mit 13 setzte er sich erstmals hinters Schlagzeug, aber als ihn die Rolling Stones in seinen Bann zogen, griff er drei Jahre später zur Gitarre. Mit 16 sind viele Gitarristen heute bereits fertig ausgebildete Wunderkinder, für den jungen Horowitz ging die Reise da erst so richtig los. Er entdeckte einerseits Jimi Hendrix und Cream für sich, andererseits aber auch Little Richard, den wahren König des Rock’n’Roll. „Erinnere dich an den Beat zu seinem Song ,Rip It Up‘“, kommt der sympathische Koloss im „Krone“-Gespräch ins Schwärmen, „er hat den Rock’n’Roll erfunden. Ohne Little Richard gäbe es keinen Jerry Lee Lewis und auch nicht Led Zeppelin. Von ihm haben wir im Endeffekt alle gelernt.“
Popa Chubbys Karriere lief stets unter dem Mainstream-Radar und hatte nie etwas mit großen Erfolgen zu tun. In den frühen 80er-Jahren nahm ihn Punk-Poet Richard Hell als Gitarrist mit auf Tour, doch erst Anfang der 90er-Jahre, als der Blues und herkömmliche Rockmusik am Boden lagen, nahm die Karriere von Horowitz Fahrt auf. Um die 200 Konzerte pro Jahr waren für den Vielarbeiter damals keine Seltenheit und ab 1994 begann er damit, Alben zu veröffentlichen. „Ich bin 63 Jahre alt und kann mich auf mich verlassen“, erzählt er, „über all die Jahre habe ich Tausende Acts gesehen, die als das nächste große Ding gehandelt wurden und dann in der Versenkung verschwanden. Ich gehe auf die Bühne, spiele meine Musik, esse einen Hamburger, kiffe mich manchmal ein und gehe dann heim zu meiner Frau. Ich bin ein rundum glücklicher Mann.“
Keinen Luftschlössern nachjagen
Die Jagd nach dem monetären Erfolg war Popa Chubby immer zuwider. Dafür hätte er weitaus mehr Kompromisse eingehen müssen und diverse Meinungen nicht kundtun sollen. „Wenn du dich nur auf den kommerziellen Aspekt dieses Geschäfts konzentrierst, dann wirst du niemals glücklich werden. Ich bin nicht reich, aber ich bin immer noch da. Ein Verlierer ist nur, wer es nicht probiert. Aus Fehlern habe ich am meisten gelernt, daraus hat sich mein Charakter geformt. Ich bin schon so lange in diesem Geschäft dabei, dass ich längst keinen Luftschlössern mehr nachjage. Ich mache meine Musik und versuche, mit den Jungs in der Band auf Tour eine schöne Zeit zu haben. Alles andere ist mir völlig egal.“
Mit dieser fast schon nihilistischen Zugangsweise zur Musik tingelt Horowitz - wenn es seine angeschlagene Gesundheit erlaubt - in regelmäßigen Abstanden über den großen Teich, um seine zahlreichen europäischen Fans zu erfreuen. Inspirieren lässt er sich von seinen Gedanken und Eindrücken. Während der Pandemie nahm er gleich zwei Studioalben auf, das gesamte letzte Jahr schraubte er fleißig am Livealbum „Live At G. Bluey’s Juke Joint NYC“ und wer der mal heulenden, mal shreddernden Gitarre von Popa Chubby schon einmal verfallen ist, weiß, die wahre Magie seiner Kompositionen erfährt man nur von Angesicht zu Angesicht. Wer sich für eineinhalb Stunden in die gnadenlose Radikalität des New York der 1980er-Jahre zurückbeamen lassen will, der findet bei einem Popa-Chubby-Gig sein Seelenheil. „Ein Schmied verwendet sein Werkzeug, um etwas entstehen zu lassen. Ich verwende Emotionen wie Sorgen, Ängste, Freude oder Leid. All das erhitze ich, um es in Songs zu gießen.“
Rock’n’Roll als Hybridwelt
Mit der überbordenden Korrektheit und der Geschwindigkeit des modernen Alltags hat der durch und durch analoge Musiker so seine Probleme. Mit seinen rustikalen Scherzen würde er woken Menschen Leichenblässe ins Gesicht zaubern, doch Popa Chubby hatte nie den Wunsch allen zu gefallen. So lässt er auch kein gutes Haar an der aktuellen Rock- und Gitarrenszene. „Es klingt alles nur noch nach einem Hybrid. Wird es jemals wieder so etwas wie die Ramones oder Lemmy Kilmister geben? Einen neuen Sid Vicious? Wir haben heute als ,Retter des Rock‘ Greta Van Fleet. Das kann doch nur ein Scherz sein. Es muss da draußen einfach mehr geben und ich hoffe, die Menschen strecken ihre Fühler danach aus.“ Eigentlich ist es Popa Chubby aber egal. Er spielt sein eigenes Spiel. Fernab von den großen Bühnen, aber mit dem Blues tief drinnen im Herzen. „Die Magie der Musik spüre ich zum Glück noch immer.“
Live im Wiener Reigen
Die Naturgewalt Popa Chubby live erleben kann man wieder am 17. Oktober im Wiener Reigen. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten und weitere Informationen zum Blues-Highlight dieses Herbstes.
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