Was bleibt, ist Wut
Wenn Terroristen morden und keiner zu Hilfe kommt
Was sich am Samstagmorgen in den Grenzortschaften zum Gazastreifen abgespielt haben muss, wird in den Tagen danach immer sichtbarer. Die Hamas-Terroristen haben geplündert, vergewaltigt und gebrandschatzt. Journalisten vor Ort und Überlebende berichten von Szenen, die berühren und für Wut sorgen.
Wenn Soldaten weinen, gibt es für das Elend meist keine Worte. Was die israelischen Truppen im Kibbuz Kfar Aza vorfanden, nachdem sie die Terroristen der Hamas zurückgedrängt hatten, verschlug ihnen wohl die Sprache. „Man sieht die Babys, die Mütter, die Väter, in ihren Schlafzimmern, in ihren Schutzräumen“, sagt der israelische Generalmajor Itai Veruv zu Journalisten, die er durch den Ort führt.
Wenn das Elend sichtbar wird
Überall Leichen. Selbst die Luft rieche nach Tod, berichtet ein Reuters-Reporter. Schnell wird klar: Hier hat ein Monster gewütet. Die Mörder der Hamas haben alles und jeden getötet, der ihnen vor die Waffe lief. Sie zündeten Häuser an, vergewaltigten Frauen. Sie sprachen ihren Mitmenschen die Menschlichkeit ab.
Vor einem der kleinen Häuser des Kibbuz wird die Leiche eines Bewohners mit einem lila Laken bedeckt, aus dem ein nackter Fuß herausragt. Ein Kopfkissen und andere Gegenstände aus dem Haus liegen verstreut in der Gegend.
Andernorts liegen die Leichen der Bewaffneten mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden. Soldaten umarmen sich, spenden sich Trost. „Erzählt der Welt, was ihr hier gesehen habt“, ruft einer von ihnen in Richtung der Reporter. Ganze Familien wurden durch die Hamas ausgelöscht.
Was bleibt, ist Wut
Doch die, die überlebt haben, sind sauer. Sauer auf das eigene Militär. Sie fühlen sich im Stich gelassen. Hunderte Terroristen konnten am Samstagmorgen israelische Zivilisten über Stunden massakrieren - ungehindert, ohne Widerstand. Es dauerte Tage, bis alle Terroristen zurückgedrängt werden konnten.
Den Anschlag hat die im Gazastreifen herrschende Hamas offensichtlich über Monate minuziös geplant. Die islamistische Gruppierung war aber wohl selbst überrascht, wie viele Menschen sie letztlich im verfeindeten Israel töten konnte. Und wie wenig Gegenwehr es zunächst von der eigentlich klar überlegenen israelischen Armee gab.
Bisher wurden auf israelischer Seite mehr als 1000 Tote und mehr als 2600 Verletzte gezählt - darunter Frauen, Kinder und alte Leute.
Niemand kommt, um zu helfen
Auch im Nachbarort Nahal Oz heulten Samstagfrüh die Sirenen. Daran sind die Menschen in diesen Gebieten gewohnt. Doch dieses Mal schossen die Terroristen nicht nur aus sicherer Entfernung Raketen. Sie waren unterwegs - zu Fuß, in der Luft, über das Meer.
Sie sind in meinem Haus.
Nachrichten in einer WhatsApp-Gruppe
Der Kibbuz-Bewohner Eli Dudaei erinnert sich: Er konnte sich mit seinem Partner Nadav Peretz und ihrem Hund in einen Bunker retten, erzählt der Überlebende dem „Guardian“. Eigentlich eine gut eingeübte Routine. „Doch diesmal verging die Zeit und nichts geschah. Irgendwann realisierten wir, dass das Militär nicht kommt, um uns zu helfen“, sagt Dudaei.
Ihre Nachbarn kommen zu derselben Schlussfolgerung. Wir sind allein. Niemand kommt.
Panische Nachrichten fluten die Nahal-Oz-Whatsapp-Gruppe: „Sie sind in meinem Haus“, „Bitte rettet uns“ oder „Sie töten uns“. Was machen Menschen in Situationen, die so ausweglos erscheinen? Sie erinnern sich häufig an jene, die sie zurücklassen. Sie verabschieden sich von ihren Liebsten. „Als wir die Männer im Garten hörten, schickte auch ich Nachrichten an meine Mutter, in denen ich ihr sagte, dass ich sie liebe“, schildert Peretz der britischen Zeitung weiter.
Israel bereitete sich auf „falschen Krieg“ vor
„Am Morgen des 7. Oktober - ein Datum, das als einer der dunkelsten Tage des jüdischen Volkes in die Geschichte eingehen wird - ist Israels Sicherheitskonzept zerbröckelt, als Hamas-Terroristen über, unter und um den Gaza-Grenzzaun strömten“, schrieb die „Times of Israel“ am Dienstag.
Wie konnte die Hamas die israelische Armee überlisten, die als eine der besten der Welt gilt? Das israelische Militär war nach einem Bericht des „Wall Street Journal“ nicht auf einen Angriff mit eher einfachen Mitteln vorbereitet. Der Verteidigungsapparat habe in der jüngeren Vergangenheit eher auf Technologien wie Cyber- oder Raketenabwehr gesetzt und Bodentruppen abgebaut. Die Armee habe sich auf „den falschen Krieg“ vorbereitet, zitiert das Blatt Avi Jager vom International Institute for Counter-Terrorism in Israel.
Der Schock sitzt tief. In der Bevölkerung überwiegt jedoch die Enttäuschung. Zu viele Menschen mussten am Samstagmorgen Abschiedsbriefe ihrer Liebsten empfangen.
„Müssen die Toten begraben“
„Die Armee hat meine Freunde einfach sterben lassen“, sagt eine ältere Dame dem deutschen ZDF. Für die Ausflüchte der Politik haben viele Hinterbliebene keine Zeit. Nach dem schlimmsten Blutbad in der jüngsten Geschichte des jüdischen Staates haben sie Wichtigeres zu tun: „Wir müssen überlegen, wie wir die Toten begraben“, sagt Lotan Finia aus dem Kibbuz Be‘eri.
108 Leichen wurden in ihrer Ortschaft bisher geborgen. Die Hamas hat damit zehn Prozent der dort lebenden Menschen dahingerafft. Einige ihrer Nachbarn liegen noch immer im Staub.
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