Wieder gesprengt?

Pipeline-Schäden durch „ziemlich starke Kraft“

Ausland
11.10.2023 13:32

Die Entwicklungen rund um die Schäden an der Ostsee-Erdgaspipeline zwischen Finnland und Estland wecken zunehmend Erinnerungen an die Sprengung der Nord-Stream-Pipeline. Laut estnischen Ermittlern habe es schwere Gewalteinwirkung gegeben - es dürfte sich also wieder um einen Anschlag auf die Energieversorgung handeln. Russland nennt die Beschädigung „alarmierend“.

„Es ist deutlich zu erkennen, dass diese Schäden durch eine ziemlich starke Kraft verursacht wurden“, so Estlands Verteidigungsminister Hanno Pevkur am Mittwoch. „Was es genau ist, müssen wir noch präzisieren, aber im Moment sieht es eher danach aus, dass es sich um mechanische Einwirkungen bzw. mechanische Zerstörung handelt.“

Ursache „vermutlich in menschlichem Handeln“
Ähnlich äußerte sich auch Estlands Staatspräsident Alar Karis: „Mittlerweile wissen wir, dass die Ursache nicht in der Natur, sondern vermutlich in menschlichem Handeln begründet liegt. Wer, warum und wie? Fahrlässigkeit oder Vorsatz? Diese Fragen müssen noch beantwortet werden“, schrieb Karis auf Facebook nach seiner Ankunft zu einem Besuch in Südkorea. „Meine Gedanken sind immer noch zu Hause, wo weiterhin neue Informationen über die Beschädigung eingehen“. Die Verantwortlichen müssten identifiziert und ans Licht gebracht werden, unabhängig von ihren Motiven, betonte er.

Finnlands Behörden vermuten Russland hinter dem Vorfall. Seismologen haben eine „mutmaßliche Explosion“ wahrgenommen. (Bild: Lehtikuva/Lehtikuva /Mikko Stig)
Finnlands Behörden vermuten Russland hinter dem Vorfall. Seismologen haben eine „mutmaßliche Explosion“ wahrgenommen.

Der Staatschef des baltischen EU- und Nato-Landes versicherte, dass die Sicherheit der Gasversorgung und die grenzüberschreitende Internetverbindung Estlands nicht gefährdet seien. „Es ist jedoch klar, dass mehr Wachsamkeit, mehr Zusammenarbeit und mehr Ressourcen erforderlich sind, um die Sicherheit der Ostsee und unserer Verbindungen sowie der kritischen Infrastruktur zu gewährleisten“, schrieb Karis. „Das ist ein wichtiges Thema der nationalen Sicherheit Estlands, das jetzt im Fokus unserer Aufmerksamkeit bleiben muss.“

Litauen: Infrastruktur „schwer zu schützen“
Ähnlich äußerte sich Litauens Energieminister Dainius Kreivys. Er sprach sich für einen stärkeren Schutz der Energie-Infrastruktur in der Ostsee aus. „Die am stärksten gefährdete Infrastruktur befindet sich vor der Küste und ist schwer zu schützen“, sagte er am Mittwoch im litauischen Rundfunk. „Wir brauchen wahrscheinlich ein noch höheres Maß an Überwachung, ein noch höheres Maß an Schutz. Und wir brauchen, wie der Außenminister erwähnte, wahrscheinlich gemeinsame Vereinbarungen und eine Arbeitsteilung darüber, wer was tut.“

Norwegens Polizei hat bereits die Sicherheitsvorkehrungen an den Öl- und Gasstationen verstärkt. „Wir haben uns verstärkt auf präventive Patrouillen bei Öl- und Gasanlagen in unserem Gebiet konzentriert“, sagte Einsatzleiter Helge Blindheim vom Polizeidistrikt West in Norwegen gegenüber der Zeitung BA.

Offenbar eine Explosion registriert
Seismologen haben zum Zeitpunkt der Beschädigung der Ostsee-Pipeline Anzeichen für eine mögliche Explosion in der Nähe der Leitung verzeichnet. Eine Station im Süden Finnlands habe eine wahrscheinliche Explosion entdeckt, die sich in der Nacht zum Sonntag um 1.20 Uhr finnischer Ortszeit ereignet habe, teilte die norwegische seismologische Forschungseinrichtung Norsar mit.

Das Ereignis habe eine Stärke von schätzungsweise 1,0 gehabt, was deutlich geringer sei als bei den Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines im September 2022. Lokalisiert wurden die seismischen Signale demnach ungefähr 40 Kilometer nördlich von Paldiski in Estland. Die Daten seien jedoch mit großen Unsicherheiten verbunden, weitere Analysen liefen, schrieb das Institut am Dienstagabend in einer Mitteilung.

NATO droht mit entschlossener Antwort
Der finnische Ministerpräsident Sauli Niinistö hatte bereits am Dienstag von einem gezielten Vorgehen gesprochen. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg drohte mit einer entschlossenen Antwort des Verteidigungsbündnisses.

„Wenn sich herausstellt, dass es sich um einen Angriff auf kritische NATO-Infrastrukturen handelt, wird die NATO geschlossen und entschlossen darauf reagieren“, sagte er vor einem Treffen der Verteidigungsminister der Allianz.

Russland: Beschädigung ist „alarmierend“
Russland hat Berichte über die Beschädigung Pipeline als „alarmierend“ bezeichnet. „Ich habe keine technischen Informationen (...), aber das ist natürlich eine ziemlich alarmierende Neuigkeit, denn wir wissen, dass es bei der Ausführung von Terroranschlägen gegen kritische Infrastruktur bereits Präzedenzfälle im Baltikum gegeben hat“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge.

Er spiele damit auf die aufsehenerregende Sabotage an den Nord-Stream-Gasleitungen vor rund einem Jahr an, so Peskow. Die Pipelines brachten russisches Gas nach Deutschland.

Reparatur wird wohl Monate brauchen
Die 77 Kilometer lange Pipeline Balticconnector verbindet Inkoo in Finnland und Paldiski in Estland. Sie führt durch den Golf von Finnland, einen Teil der Ostsee, der bis in russische Hoheitsgewässer reicht. Der Betreiber verzeichnete am Sonntag um 02.00 Uhr Ortszeit (01.00 Uhr MESZ) einen plötzlichen Druckabfall und legte die Leitung still.

Die finnische Energie-Gesellschaft Gasgrid erklärte inzwischen, es könnte Monate dauern, die Schäden zu beheben. Den zuständigen Betreibern zufolge kann der Erdgas-Bedarf in beiden Staaten aus anderen Quellen gedeckt werden, auch im Winter.

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