Österreichische Erstaufführung von Elfriede Jelineks „Sonne/Luft“ in der bildgewaltigen Regie von Emre Akal und der fantastischen Ausstattung von Mehmet & Kazim am Grazer Schauspielhaus als bizarrer Endzeit-Trip.
Die Erde ist zerstört, nur noch wenige Überlebende treiben auf einem Raumschiff der Sonne entgegen. Die erweist sich als launische Göttin oder launischer Gott - aber „Geschlecht egal, denn nach uns wird kein Geschlecht mehr kommen“ - und hat je nach Laune Spaß am völligen Niederbrennen oder einfach nur am Trocknen der Tränen. Willkommen in der dystopischen Welt von Elfriede Jelineks Theatertext „Sonne/Luft“, der am Grazer Schauspielhaus seine österreichische Erstaufführung erfuhr.
Mehmets & Kazims Bühne überwältigt
Wortmächtig schreibt sich die Autorin ihre Ohnmacht angesichts unseres Umgangs mit der Erde von der Seele, bildgewaltig und metaphernreich setzt Regisseur Emre Akal den Text in Szene. Überwältigend fällt die Bühnengestaltung von Mehmet & Kazim aus, die zu einem Gipfeltreffen von Kubricks „Odyssee 2001“ und der grenzenlosen Einsamkeit des Individuums in Edward Hoppers Gemälden einlädt. Lara Roßwegs sonnige Kostüme und Eniks Musik ergänzen diesen psychedelischen, vom „Autor-Piloten“ gesteuerten Trip perfekt. Einzig, dass der eingesprochene Sonnen-Text (mit der KI-bearbeiteten Stimme Anna Rauchs) an die Radiolegende Dschi Dsche-i Wischer Dschunior erinnert, relativiert dessen Intensität. Die emotionslose künstliche Intelligenz hat zudem auch nicht viel Sinn für den bitterbösen Humor von Elfriede Jelinek.
Ensemble tanzt höchst präzise in den Untergang
In Zeitlupe wanken die Darsteller durch filmische Erinnerungsfetzen an ein Leben auf der Erde, versuchen durch sinnentleerte Aktionen ihre Routinen aufrechtzuerhalten - wissend, dass es keine Zukunft geben kann. Selbst als ihnen nach einem Systemausfall im zweiten Teil die auch schon einmal gebrauchte Luft noch kurz eine Stimme verleiht, reicht diese nur für ein kurzes exzessives Aufbegehren. Das aber hat auch wieder etwas vom schwarzen Witz und entlässt das Publikum nicht ganz desillusioniert.
Beeindruckend ist die Ensembleleistung von Tim Breyvogel, Thomas Kramer, Luzia Monteiro, Anna Rausch, Sebastian Schindegger, Anke Stedingk und Mervan Ürkmez, die diesen Endzeittanz mit höchster Präzision absolvieren.
Auch mit dieser zweiten großen Premiere unter Intendantin Andrea Vilter gelingt dem Grazer Schauspielhaus ein faszinierender, absolut sehenswerter Theaterabend, der seine Sogwirkung allerdings ebenfalls nur in Zeitlupe entfaltet.
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