Kolumne

Von Weihrauch und Moral

Sascha Lobo ist einer der bekanntesten deutschen Intellektuellen.

(Bild: teutopress GmbH)

Sascha Lobo hat in seiner jüngsten „Spiegel“-Kolumne den brutalen Angriff der Hamas auf Israel thematisiert. Der missionarische Unterton dieses Textes hat Autor Robert Schneider überhaupt nicht gefallen.

Das mit Worten nicht auszudrückende Morden in Israel ist kaum eine Woche her, und schon fordern intellektuelle Geister augenblicklich - gerade in Deutschland -, Stellung gegen den antisemitischen Terror zu beziehen. So z. B. Sascha Lobo im „Spiegel“. Mit dem billigsten aller literarischen Finten, nämlich den Leser zu duzen, hebt Lobo an: „Du hast dich zu Black Lives Matter positioniert, dein Profilbild hat die Farben der Ukraine. Aber wo ist deine Solidarität mit Israel? Der Überfall der Hamas ist keiner, den man ’von beiden Seiten’ betrachten muss. (...).“

Was Lobo in seiner langen, von Moral nur so triefenden Predigt unternimmt, ist ein uralter, infamer Trick, indem er nämlich jede und jeden nötigt, linke oder rechte Gesinnung, sofort ein öffentliches Bekenntnis für Israel und gegen die Hamas abzulegen. Als ob das nicht selbstverständlich wäre. Das Infame besteht jedoch darin, dass Lobo allen, die das nicht unverzüglich tun, Antisemitismus unterstellt. „Den Fall, dass du dich nicht äußerst, weil du heimlich selbst mit Leidenschaft antisemitisch oder - was dem strukturell gleichkommt - antizionistisch bist, möchte ich ausklammern.“ Warum schreibt Lobo diesen Satz, wenn er die darin erwähnte Unterstellung doch ausklammert? Weil er genau das unterstellt, nämlich Antisemitismus.

Ich bedarf nicht Ihrer Choräle und Ihres gutmenschlichen Weihrauchs, den Sie verströmen, Herr Lobo, um zu spüren, wie sehr mir das Leid dieser Menschen in Israel zu Herzen geht. Es greift mich wirklich an, lähmt mich und macht mich stumm. Sie müssen mir nicht vorschreiben, was ich zu posten habe. Glauben Sie allen Ernstes, dass die Positionierung gegen die Hamas und für Israel (was wohl jedem klar ist), den Schmerz lindert? Wenn damit für Sie die Trauerarbeit erledigt ist, beneide ich Sie nicht. Wenigstens können Sie sagen, dass Sie ein guter Mensch sind. Ich bin nur hilflos.