Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat monatelang die Gesetzgebung zu den Corona-Hilfen geprüft, jetzt hat er Teile davon endgültig aufgehoben. 450 Millionen Euro wurden von der Covid-19-Finanzierungsagentur (COFAG) noch nicht ausgezahlt, diese Hilfsgelder sollen weiterfließen.
Die Höchstrichter fragten sich in einer Verhandlung vor einigen Monaten: Wie kommt man auf die Idee, dass es dem Staat freisteht, einem Dritten so viel Geld zu geben, ohne dass es eine öffentliche Verwaltung mit entsprechender Kontrolle gibt? Die COFAG, eingerichtet Ende 2020, wurde mit 19 Milliarden Pouvoir ausgestattet, um Unternehmen zu helfen, die wegen der Pandemie in finanzielle Schieflagen gerieten. Das Problem: Die Agentur wurde ausgelagert - unterlag also nicht der Kontrolle des Finanzministeriums und somit auch nicht jener des Parlaments.
Nun hat der VfGH im Rahmen seiner Gesetzesprüfung entschieden, dass Teile der Gesetzesgebung verfassungswidrig waren, weil die Art und Weise, wie Verwaltungsaufgaben an eine GmbH - die COFAG - ausgelagert wurden, unsachlich war. Zudem hätten Unternehmen zu Unrecht keinen Rechtsanspruch auf Finanzhilfen gehabt.
Hilfen werden weiter ausgezahlt
Die Aufhebung der verfassungswidrigen Bestimmungen tritt mit Ende Oktober 2024 in Kraft. Bis dahin hat der Gesetzgeber Zeit, nähere Regelungen zur weiteren Tätigkeit und der Abwicklung der COFAG zu erlassen, wie der VfGH in einer Aussendung bekannt gab. „Bis zur Erlassung derartiger gesetzlicher Regelungen kann die COFAG weiterhin die ihr durch das ABBAG-Gesetz übertragenen Aufgaben besorgen und daher auch Finanzhilfen auszahlen“, wurde betont.
Wiener Lokalbahnen brachten Prüfung ins Rollen
Errichtet wurde die Covid-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH nach dem ABBAG-Gesetz. Die ABBAG war nach der Finanzkrise für die staatlichen Banken-Unterstützungen gegründet worden. Anlass für die Prüfung des ABBAG-Gesetzes war ein Antrag der Wiener Lokalbahnen Verkehrsdienste GmbH, nachdem die COFAG einen vom Unternehmen beantragten Fixkostenzuschuss nicht gewährt hatte. Ausgerechnet der Beschwerde der Wiener Lokalbahnen wurde vom VfGH aber nicht stattgegeben.
Konkret hebt der VfGH mehrere Bestimmungen zur COFAG als verfassungswidrig auf. So verstieß gegen das Gesetz, dass die Organe der COFAG weisungsfrei sind. Auch Teile der Richtlinien wurden als gesetzwidrig aufgehoben, die die Auszahlung von Corona-Finanzhilfen regeln, diese Aufhebung tritt mit 15. April 2024 in Kraft. Unter anderem verstieß dem Höchstgericht zufolge gegen den Gleichheitsgrundsatz, dass Unternehmen von Finanzhilfen ausgeschlossen wurden, weil über sie eine Geldstrafe wegen eines Finanzdelikts verhängt wurde.
Betroffene Unternehmen können Hilfen nachfordern
Es liege zwar im Regelungsspielraum des Gesetzgebers, Förderungen an steuerliches Wohlverhalten zu knüpfen, so das Höchstgericht. Verfassungswidrig sei das aber, weil der Ausschließungsgrund an den Zeitpunkt der Verhängung einer Geldstrafe, nicht an den Tatzeitpunkt anknüpft. Unternehmen, die deswegen keine Corona-Hilfe bekamen, könnten diese nun also nachfordern.
„Offene Fälle werden erledigt“
Für nächstes Jahr hat das Finanzministerium noch „COFAG-Zuschüsse“ in Höhe von 450 Mio. Euro budgetiert, schrieb „Der Standard“ zuletzt unter Berufung auf interne Unterlagen des Ministeriums. Kommentieren wollte man diese Summe dort nicht. Bekräftigt wurde am Dienstag aber, dass die ABBAG schon vor Monaten beauftragt worden sei, ein Konzept zur Abwicklung der COFAG zu erstellen. „Die nun erfolgte Entscheidung des VfGH bereinigt rechtliche Unklarheiten und wird in diesen Prozess einfließen. Auf bereits ausbezahlte COFAG-Hilfen hat die Entscheidung keine Auswirkungen“, hieß es aus dem Büro von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP).
Noch auszuzahlende Hilfen würden selbstverständlich weiter bearbeitet, da die Frist des Verfassungsgerichtshofs eine Auszahlung bis 31. Oktober 2024 ermöglicht. Darüber hinaus bestehe allenfalls die Möglichkeit, die rechtliche Basis im Sinne der Entscheidung anzupassen. „Die COFAG-Gründung fiel in eine Zeit mit hoher Dringlichkeit und weitreichender rechtlicher Unsicherheit“, wurde betont.
Scharfe Kritik von SPÖ-Chef Babler
Die COFAG war unter Gernot Blümel (ÖVP) als Finanzminister im Jahr 2020 eilig ins Leben gerufen worden. Grund waren rasch nötige Staatshilfen für Firmen aufgrund der Corona-Pandemie. Von der Opposition gab es von Anfang an Kritik am Konstrukt. Vor allem wird dort eine mangelnde parlamentarische Kontrolle gesehen. Dementsprechend übte SPÖ-Chef Andreas Babler am Dienstag harsche Kritik. In einer Pressekonferenz sprach er von einem der größten Finanzskandale der Zweiten Republik. Es gehe nicht, dass Milliarden-Beiträge vorbei an demokratischer Kontrolle ausbezahlt worden seien. Darüber hinaus bestehe der Verdacht, dass Großkonzerne überproportional profitiert hätten.
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