Als ein Ad-hominem-Argument (aus dem Lateinischen für „Argument zum Menschen“) bezeichnet man eine Art Scheinargument, das rasch jeden Diskurs vergiften kann. Denn bei einem solchen personenbezogenen Argument, das streng genommen gar keines ist, lenkt man die Aufmerksamkeit auf den jeweiligen Gegenpart der Debatte, anstatt auf dessen Argumente. Im Grunde handelt es sich um nichts anderes als eine Beleidigung, getarnt als Diskussionsbeitrag.
Persönlicher Angriff statt sachlicher Argumentation
In einer Konversation sollte ein Argument im Idealfall für sich allein sprechen. Anders gesagt sollte man den Inhalt einer Botschaft, von der Person, die sie ausspricht, differenzieren. Doch es fällt uns oft schwer, den persönlichen Hintergrund unseres Gegenübers komplett auszublenden. Dieses Wissen kann von missgünstigen Diskussionspartnern genutzt werden, um die Position des anderen zu schwächen. Gleichzeitig erspart man sich so ein Eingehen auf das eigentliche Argument, daher ist es auch eine gute Taktik, wenn man im Grunde gar kein Gegenargument hat.
Als Angriffsfläche bieten sich sämtliche Eigenschaften der jeweiligen Person an. Ob nun das Aussehen, das Geschlecht, der soziale Status oder einzelne Charaktereigenschaften; all das kann plötzlich aufs Tapet gebracht und mit deren Ansicht verknüpft werden, obwohl es in diesem Zusammenhang völlig irrelevant ist und nur ablenkt. Scheinargumente dieser Art werden dabei oft auch bewusst überspitzt und polemisch formuliert. Das führt dann dazu, dass man sich als Angesprochener dazu bemüßigt fühlt, sich zu erklären und zu rechtfertigen. Der eigentliche Diskussionsinhalt wird so zum Nebenschauplatz.
Arten von Ad-hominem-Argumenten
Direkt:
Es handelt sich um einen unmittelbaren Angriff auf eine Person, um all ihre Behauptungen zurückzuweisen, etwa aufgrund von einem Mangel an Wahrhaftigkeit, Vernunft, Einsicht oder Unwissenheit, kognitiver Fähigkeiten oder moralischer Grundsätze.
Beispiel: „Sie als Frau haben sowieso keine Ahnung von dem Thema, also können wir Ihre Meinung dazu getrost ignorieren.“
Performativ:
Hier geht es darum, eine vermeintliche Widersprüchlichkeit zwischen dem Gesagten und den Handlungen des anderen herauszustreichen.
Beispiel: „Sie sind Umweltaktivist, sprechen sich gegen Flüge aus, aber kommen selbst mit dem Flugzeug zur Klimakonferenz!“
Tu quoque („Du auch“):
Bei dieser Unterkategorie wird das vorgebrachte Argument der Gegenseite zwar zugestanden, aber nur, um es gegen sie zu verwenden. So kann man auch eigenes Fehlverhalten rechtfertigen. Das Muster ist immer gleich; man solle dem anderen nicht vorschreiben, was zu tun sei, da man es selbst nicht mache.
Beispiel: „Ja, ich esse Fleisch aus Massentierhaltung, aber erzählen Sie mir nicht, dass ich mich gegen diese einsetzen soll. Immerhin essen Sie doch selbst Fleisch aus solchen Betrieben!“
Befangenheit:
Es wird jemandem unterstellt, er oder sie sei in der Diskussion voreingenommen und damit nicht neutral. In einer Sonderform davon („Brunnenvergiftung“) wird darüber hinaus noch behauptet, das Gegenüber könne sich gar nicht neutral zu einem Standpunkt äußern, da es generell eigene, moralisch fragwürdige, Interessen verfolgt. Damit ist diese häufig von einer Unterstellung begleitet, die bereits präventiv fällt, was besonders perfide ist.
Beispiele:
„Sie sind ja nur der Ansicht, der Tunnel müsse gebaut werden, weil Sie selbst am Ende davon profitieren!“
„Bevor Sie gleich dazu kommen, den geplanten Tunnelbau anzupreisen, möchte ich darauf hinweisen, dass Sie dabei die damit einhergehende Erhöhung der Mautkosten unter den Tisch fallen lassen wollen!“
Daraus sollte ersichtlich werden: Nur, weil jemand, der sich beispielsweise im Bereich Klimaschutz engagiert, selbst nicht zu 100 Prozent klimaneutral lebt, bedeutet das nicht, dass dieses Thema dadurch an Relevanz verliert.
Zugleich muss man auch beachten, dass nicht jede Kritik an einer Person als Ad-hominem-Argument gewertet werden kann. Solange man gegen die Aussage einer Person an sich argumentiert, liegt kein Angriff gegen sie vor.
Wie sollte man mit Ad-hominem-Argumenten umgehen?
Auf einen Angriff möchte man sich verteidigen, das ist eine völlig natürliche Reaktion. Genau das wird einem aber in diesem Fall zum Verhängnis. Denn indem man darauf eingeht, bleibt irgendwas von dem unberechtigten Vorwurf bei Zuhörenden hängen. Damit lenkt man die Aufmerksamkeit weg vom eigentlichen Diskussionsinhalt. Hier zeigt sich auch eine Parallele zum Whataboutismus.
Grundsätzlich gilt: Achten Sie in einer Diskussion auf die Inhalte und nicht darauf, von wem diese vorgebracht werden. Denn wenn es um korrekte Argumente oder Aussagen geht, ist die Person, die sie darlegt, nebensächlich.
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