Live im Wiener Globe

Jeff Goldblum: Eine Comedy-Show mit Jazz-Umrandung

Wien
19.10.2023 01:05

Hollywood-Superstar Jeff Goldblum ist seit geraumer Zeit dem Jazz verfallen. Mit seinem Mildred Snitzer Orchestra gab er Mittwochabend im ausverkauften Wiener Globe seine große Österreich-Premiere. Bei der Mischung aus Musik und Comedy fehlte aber ein roter Faden und der Respekt davor, der Musik und ihrer Botschaft die nötige Ruhe zum Wachsen zu gewähren.

Wussten Sie, dass Ferdinand Porsche 1899 das erste Elektroauto in Wien erfunden hat? Dass das St. Peter Stiftskulinarikum in Salzburg angeblich das älteste Restaurant der Welt ist? Dass man hierzulande das richtige Händewaschen salonfähig gemacht hat? Nein? Nun, Jeff Goldblum auch nicht. Aber das motivierte Team, das er auf seiner Jazz-Tour durch Europa mitgebracht hat, hat im Vorfeld ordentlich recherchiert, um den Konzertabend im Wiener Globe so national wie möglich zu gestalten. Es steckt ihm Zettel zu und Jeff quizzt mit den Fans. Der noch 70-Jährige (am Sonntag feiert er Geburtstag) kam nicht etwa als deformierte „Fliege“ oder Dinosaurierbezwinger von „Jurassic Park“ erstmals nach Österreich, sondern ganz edel im schwarzen Anzug, mit perfekt sitzendem Hut und an KISS erinnernde Boots, um die Welt der Musik zu zelebrieren.

(Bild: Andreas Graf)

Vom Spaß zum Erfolg
Die musikalische Karriere ist Goldblum tatsächlich ein bisschen passiert. Der passionierte Jazz-Fan und kundige Pianist beschäftigt sich in seiner Freizeit seit vielen Jahrzehnten damit und stellte irgendwann seine eigene Band, das „The Mildred Snitzer Orchestra“, zusammen. Aus einem kleinen Spaß wurde mit fortdauernder Zeit ein abendfüllendes Projekt. Mittlerweile gibt es drei Studioalben, von denen eines gar den Thron der US-Jazz-Charts erklomm. Goldblum wurde zum gefragten Live-Musiker und kümmerte sich in den letzten Jahren vermehrt um den europäischen Markt. Das Prinzip hinter der Band: Man covert sich durch die Geschichte des Genres, setzt vornehmlich auf Jazz-Standards und würzt das Ganze mit einer markanten Prise Humor, wie man ihn vom stets gut gelaunten und sympathischen Star gewohnt ist.

(Bild: Andreas Graf)

Doch darin liegt auch ein bisschen die Krux des Programms. Das ständige Einstreuen von zotigen Witzen, österreichischen Quizfragen und humoristischen Länderrivalitäten („Ricola“) ist anfangs noch frisch und abwechslungsreich, nimmt mit Fortdauer der Show aber den Drive aus der Musik. Keine drei Songs spielt Jeff mit seiner Band am Stück, ohne wieder ein Stück Papier hervorzukramen und die nächste Fragerunde zu Österreich zu eröffnen. Das stößt gegen Ende hin auch einem Zuseher sauer auf, der sich lautstark mit „More Music, No Papers“ bemerkbar macht und von Goldblum, ganz Entertainment-like, weggelächelt wird. Selbst wenn das Publikum an diesem Abend nicht aus Jazz-Freaks und Szenegetreuen besteht, auch Hollywood-Cineasten und Schaulustige hätten sich etwas mehr dramaturgischen Musikbogen und weniger Stand-Up-Comedy erhofft.

(Bild: Andreas Graf)

Von Kalauern erdrückt
Dass der Superstar und seine sechsköpfige Band nicht in der Champions League des Genres spielen, war vorab anzunehmen, dafür zieht man sich mit viel Spielfreude und ungekünstelter Begeisterung für das gemeinschaftliche Musizieren die Sympathien der knapp 1300 Fans zu. Alle Beteiligten bekommen ausreichend Platz zum Solieren, leider mangelt es aber an Improvisation und Spontanität. Das lässt einerseits die dicht akkordierte Setlist nicht zu, andererseits werden die kreuzbraven, aber nicht spektakulären Musiker bei jedem Anflug von Progression vom nächsten Kalauer ihres Chefs erdrückt. Das Zwischenspiel Jazz und Comedy funktioniert erprobterweise durchaus, nicht aber, wenn man es über eine ganze Konzertlänge durchzieht und die Magie des Moments bricht.

(Bild: Andreas Graf)

Wenn sich Goldblum und sein Orchester von den durchaus interessanten und tight gespielten Instrumentalstafetten lösen können, kommt die aus US-Indie-Kreisen bekannte Sängerin Gina Saputo zum Zug. Hochschwanger, aber in bester Verfassung veredelt sie Nummern wie Seth MacFarlanes „Let’s Face The Music And Dance“ oder das melancholische „Moon River“ von Henry Mancini. Goldblum hält sich als nicht professionell gelernter Pianist musikalisch stets im Hintergrund und ist für das Hosting des Abends zuständig. In der instrumentalen Riege glänzt vor allem sein perfekt aufeinander eingespieltes Saxofon-Duo, das sich immer wieder bewusst entlädt und dem musikalischen Reigen eine besonders prägnante Note verleiht. Dass kein Song aus dem Buch der Klassiker so wirklich hervorstechen mag, ist dem Gesamteindruck des Abends auch nicht unbedingt zuträglich.

(Bild: Andreas Graf)

Goldblum punktet dafür mit seiner galanten Kauzigkeit und der puren Freude, sein Publikum unterhalten zu wollen. Dass eine jazzige Cover-Version des schwedischen Song-Contestes-Siegerlieds „Tattoo“ reichlich unnötig ist und er selbst am Piano nicht immer jede Note zum richtigen Zeitpunkt trifft, verblasst hinter dem gewinnenden Charisma des Protagonisten. Nach der kurzen Pause zwischen den beiden Konzertblöcken überreicht ihm Ehefrau Emilie Goldblum zum offiziellen Europatourabschluss eine Torte mit Kerzen zum Ausblasen. Alles an diesem Abend hat den Geruch von zwangloser Kurzweile und einem gemütlichen Beisammensein, nicht aber von einem ernsthaften Jazz-Konzert mit memorablen Momenten und ausufernder Spielkunst. Goldblum kann sich auch auf der Jazz-Bühne nicht von seinem Hollywood-Nimbus lösen. Es ist aber okay, dass so manch mangelhafte technische Fertigkeit von Humor übertüncht wird. Die strenge Jazz-Polizei ist heute ohnehin nicht da.

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