Terrorgefahr
Ein Europa ohne Grenzkontrollen ist Geschichte
Die jüngsten Terrorangriffe in Europa sowie die Eskalation des Nahost-Konflikts überschatteten den EU-Innenministerrat. Viele Länder drängen auf einen härteren Migrationskurs, die Überwachung wird von der Ausnahme zur Regel.
Es war einmal ein Europa, in dem das Reisen ohne langwierige Kontrollen an den Grenzen möglich war. Es war einmal ein Europa, in dem das Schengen-Abkommen, das die Abschaffung der Inspektion festschreibt, als zentrale Errungenschaft der Union galt. Angesichts der steigenden Migrationszahlen, des Krieges im Nahen Osten und der jüngsten Terrorattacken in Europa igeln sich nun immer mehr Länder ein und kehren zu Grenzkontrollen zurück.
Hier sehen Sie eine Grafik zu den Flüchtlingsströmen seit 2015.
Deutschland führt Kontrollen an den Übergängen zu Tschechien, Polen und der Schweiz durch. Seit Mittwoch ist auch die österreichische Polizei an der Grenze zu Tschechien im Einsatz, ebenso an den Straßen nach Ungarn, Slowenien und der Slowakei. Auch andere Länder, etwa Frankreich, Polen, Schweden, Dänemark oder Italien, haben das Schengen-Prinzip längst über Bord geworfen. Am Donnerstag kündigte schließlich Slowenien an, die Übergänge zu Kroatien und Ungarn wieder zu überwachen.
Die Zahl der irregulär einreisenden Menschen muss begrenzt werden. Es ist wichtig, dass wir die Kontrolle darüber behalten und sie nicht verlieren.
Deutschlands Kanzler Olaf Scholz
Bild: AFP
Auch der deutsche Kanzler setzt nun auf Härte
Dies dürfte wohl nicht die letzte Ansage in diese Richtung gewesen sein. In der Migrationsfrage wird der Ton in ganz Europa rauer, selbst der sozialdemokratische deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat mittlerweile eine Kurskorrektur hingelegt. Bei einer Regierungserklärung zum bevorstehenden EU-Gipfel in der kommenden Woche drängte Scholz am Donnerstag darauf, dass die Zahl der irregulär in die EU und nach Deutschland einreisenden Menschen begrenzt wird.
Man dürfe die Kontrolle über die Migration nicht verlieren, ließ der Kanzler ungewohnt harte Töne verlauten. Seit Wochen haben Scholz und die deutsche Innenministerin Nancy Faeser ihren Ton in der Zuwanderungsdebatte schrittweise verschärft.
Informationsaustausch funktioniert nicht
Nach der Terror-Attacke in Brüssel - wie berichtet, hatte ein abgelehnter tunesischer Asylwerber zwei schwedische Fußballfans ermordet - werden auch Rufe nach verstärkten Rückführungen von Gefährdern laut. Belgiens Innenministerin Annelies Verlinden machte in diesem Zusammenhang jedoch auf ein großes europäisches Problem aufmerksam: Der Austausch von Informationen über die Staatsgrenzen der Mitgliedsstaaten hinweg funktioniert nicht.
Ich fordere einen besseren Austausch von Sicherheitsinformationen und eine Intensivierung des Kampfes gegen Online- Radikalisierung.
Belgiens Innenministerin Annelies Verlinden
Bild: EPA
Der Brüsseler Fall macht das Versagen deutlich: Der Täter war in Italien bereits amtsbekannt, er hatte sich dort radikalisiert und wurde auch vom Geheimdienst überwacht. Bis nach Belgien sprach sich diese brisante und wichtige Mitteilung aber offenbar nicht durch. Sonst hätte der Islamist nach einem abgelehnten Asylantrag in Brüssel nicht einfach untertauchen und für die dortigen Behörden völlig von der Bildfläche verschwinden können.
Große Gefahr: Die Radikalisierung im Netz
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) stellte beim Treffen mit seinen Amtskolleginnen und Amtskollegen in Luxemburg die Frage, wie man mit Einzeltätern, die sich im Internet radikalisieren, umgehen soll. Karner kündigte an, dass man dabei auf die internationale Zusammenarbeit der Behörden setze.
Auch bei diesem Thema hat Belgiens Ministerin Verlinden eine klare Haltung: Sie drängt darauf, dass den Sicherheitsdiensten das notwendige Werkzeug zur Verfügung steht, um gegen Online-Radikalisierung vorzugehen. Sie verstehe das Recht auf Privatsphäre, so Verlinden, doch „wir müssen alles tun, um zu verhindern, dass so etwas noch einmal passiert“.
Visafreiheit: Kommission will leichtere Aussetzung
Einschränkungen soll es auch in einem anderen Bereich geben, zumindest wenn es nach dem Willen der EU-Kommission geht. Um irreguläre Migration einzudämmen, soll die Visafreiheit für Drittstaaten leichter ausgesetzt werden können. Gleichzeitig betont die Brüsseler Behörde aber auch, dass dies ein letztes Mittel bleiben solle. Nun folgen Verhandlungen im EU-Parlament und in den Mitgliedsstaaten.
Regierung beruft Krisenkabinett ein
Österreich hat am Mittwoch die Terror-Warnstufe erhöht. Für Freitag haben nun Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) das Krisenkabinett einberufen.
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