Auf seinem siebenten Studioalbum „Who We Used To Be“ verarbeitet Englands witzigster Schmusebarde James Blunt die Höhen und Tiefen des familiären Alltags. Der Grat zwischen Party und tiefschürfenden Erschütterungen ist dabei so schmal wie auch im echten Leben. Im „Krone“-Interview gibt uns der 49-Jährige nähere Einblicke in sein ambitioniertes Werk.
Auch wenn die Chartplatzierungen nicht mehr ganz so explosiv sind wie zu Beginn seiner Karriere, der Brite James Blunt ist und bleibt einer der größten Popstars der Gegenwart und füllt die großen Konzertarenen in Europa noch immer mühelos. Besonders in Erinnerung bleibt sein letzter Wien-Besuch im April 2022. Das erste große Stadthallen-Konzert nach den dürren Corona-Jahren, in dem Blunt damals scherzeshalber für eine halbe Nummer mit Gasmaske auf die Bühne ging. Bei seiner Rückkehr 2024 für das „Krone“-Konzert in Innsbruck wird das nicht mehr nötig sein, wie er schmunzelnd im Interview vermittelt: „Der Kelch ist nun hoffentlich an uns vorübergezogen.“ Keinesfalls vorüberziehen wird dafür sein neues Album. Das siebente Studiowerk hört auf den vielseitig interpretierbaren Namen „Who We Used To Be“ und beinhaltet - Achtung: Spoiler - strenggenommen alles, wofür man den 49-Jährigen liebt oder verachtet. Herzschmerz, Schmuseballaden, viel Traurigkeit und mehrere Wagenladungen Melancholie.
Produzentenkarussell
Neu oder zumindest weitaus üppiger eingekocht wurde im neuen Klangeintopf die Elektronik. Das liegt einerseits daran, dass Blunt bekanntermaßen großer Dance-Fan ist, andererseits an den unterschiedlichsten Produzenten, die am neuen Werk des Briten mitarbeiteten. So wurde etwa die erste Feelgood-Single „Beside You“ vom Produzentenkollektiv The Six veredelt, das u.a. schon mit Clean Bandit und Marshmello zusammenarbeitete. Auch klingende Namen wie Jonny Coffer, Red Triangle, Jack & Coke oder Steve Robson haben ihre Duftmarken hinterlassen. „Ich bin tatsächlich noch immer ein Partytier, auch mit 49 und als Familienvater“, lacht Blunt im Zoom-Gespräch aus seinem sonnigen Wohnzimmer in Ibiza entgegen, „erst unlängst habe ich mir hier im Club Robin Schulz angesehen, einfach großartig.“
Die dichte Zusammenarbeit mit anderen dient auch dem gewünschten Eklektizismus. „Ich liebe es, die Gitarre in die Hand zu nehmen oder mich ans Klavier zu setzen, um ruhige Songs zu schreiben, aber auf einem Album muss Vielseitigkeit herrschen. Ich mag es, wenn jedes Lied seinen eigenen Sound hat und man erkennt, dass hinter meinen Geschichten auch andere kundige Musiker ihre Handschrift hinterlassen haben.“ „Who We Used To Be“ erzählt grob umrissen von den Höhen und Tiefen des Lebens. Der Erzählstrang entstand, als Blunt über sein eigenes Leben reflektierte. Die Eltern werden immer älter und gebrechlicher, gleichzeitig wächst mit den Kindern junges Leben heran, dass man für die Herausforderungen des Alltags und der Gesellschaft mitformen möchte. „Als Teenager fragt man sich das erste Mal im Leben, wer man eigentlich ist. Dieses Hinterfragen hört dann nie mehr auf. Du wirst ständig neuen Prüfungen unterzogen und es stellen sich dir neue Herausforderungen in den Weg. Das ist die Quintessenz des Albums.“
Wellental der Emotionen
Die angesprochene Vielseitigkeit ist bei Blunt nicht nur im Sound, sondern auch in den Inhalten gegeben. Der Opener „Saving A Life“ bezieht sich auf eine Person in Blunts engerem Bekanntenkreis, die an Depressionen leidet und oft keine Hilfe annehmen kann, was zur allgemeinen Frustration führt. „Some Kind Of Beautiful“ soll das Wiederaufflammen des Lebensfeuers in den Mittelpunkt stellen und in der Single „Beside You“ stellt sich der Sänger vor, dass Gott ein DJ ist und er neben einer geliebten Person die absolute Unbeschwertheit erlebt. Doch die großen Highlights verstecken sich natürlich wieder in den Balladen. Besonders intensiv geraten ist „The Girl That Never Was“, in dem er erstmals offen über die Fehlgeburt seiner Frau spricht.
„Dark Thought“ hingegen ist der lang ersehnte Abschiedssong für seine 2016 verstorbene mütterliche Freundin Carrie Fisher. „Ich habe viele Jahre mit mir gerungen und musikalisch nie den richtigen Weg gefunden. Nun geht es darum, dass ich zu ihrem Haus fahre, die Hände auf das Tor lege und mich verabschiede. Ich vermisse sie noch immer, aber es beruhigt mich ungemein, dass ich endlich dieses Lied geschrieben habe.“ Blunt selbst fühlt sich trotz der Ups und Downs in seinem Leben sehr stabil. „Mit meiner Familie und der Musik habe ich zwei grandiose Welten, die ich über alles liebe und die mir Sicherheit verleihen. Ich bin ein Mann aus England, der jahrelang in der Army diente - das ist nicht unbedingt die beste Kombination, um offen über seine Gefühle zu sprechen. Wenn ich in Gesprächen oder Interviews Probleme habe, mich zu artikulieren, kann ich das aber in Songs verarbeiten. Die Musik ist der Grund, warum ich keine Therapie in Anspruch nehme.“
Das Prinzip Hoffnung
Dass Blunt trotz all seiner Liebe zu Dance-Musik und Up-Tempo-Songs vor allem mit Melancholie assoziiert wird, ist ihm vollkommen bewusst. „Die meisten meiner Songs sind von einer gewissen Traurigkeit umgeben und ich weiß auch, dass die Leute sie hören wollen. Aber es ist umso wichtiger, dass man dem Prinzip Hoffnung trotzdem genug Platz einräumt. Ich bin definitiv ein Mensch, bei dem das Glas immer halb voll ist.“ Bei der prekären Lage der Welt bleibt selbst dem auf Twitter (alias X) so humorigen Blunt manchmal das Lachen im Halse stecken. „Du kannst den Namen ändern, aber es ist und bleibt diese furchtbare Plattform, auf der die Menschen grauenvoll zueinander sind“, merkt er schmunzelnd ironisch an, „ich lache aber immer noch gerne über mich selbst und das wird sich nicht ändern. Im Kulturbereich vergessen wir oft, dass wir nicht am offenen Herzen operieren. Bleiben wir also entspannt.“
Live in Österreich
2024 kommt der Schmusebarde mit Ecken und Kanten auch wieder zweimal nach Österreich. Am 8. März spielt er sein „Krone“-Konzert in der Innsbrucker Olympiahalle, am 30. Mai ist er dann am Rathausplatz in Gmunden zu sehen. Karten und weitere Informationen gibt es unter www.ticketkrone.at oder www.oeticket.com. Auf die Rückkehr zu uns freut er sich sehr. „Einerseits muss ich nach vielen Monaten zu Hause wieder irgendwie meine Rechnungen bezahlen, andererseits fühle ich mich bei euch immer sehr willkommen. Ich habe in Österreich viele neue Freunde gewonnen und tolle Aftershowpartys gefeiert. Ich kann es kaum erwarten, in eurem wunderschönen Land endlich wieder die Bühnen zu entern.“
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