Befürchtungen

Was, wenn Kneissl Russen sensible Infos verrät?

Ausland
20.10.2023 09:29

Während Ex-Außenministerin Karin Kneissl ihrer Heimat den Rücken gekehrt hat und nun in Sankt Petersburg tätig ist, stellt sich die Frage: Was will der Staat unternehmen, wenn die Expolitikerin wichtige Informationen über die Alpenrepublik an die Russen weitergibt?

Laut dem Außenministerium gibt es bei diesen „nicht bewiesenen Befürchtungen“ keine fixierten Regeln. „Die Informationssicherheitskommission hat sich nicht mit der Frage beschäftigt, welche Konsequenzen es für die in Art. 20 Abs. 3 Bundesverfassungsgesetz (Bestimmungen zur Amtsverschwiegenheit, Anm.) genannten Interessen der Republik haben könnte, wenn klassifizierte Informationen aus dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, die der damaligen Außenministerin Karin Kneissl bekannt wurden, auch ausländischen Staaten zugänglich gemacht würden“, antwortete das Bundeskanzleramt (BKA) Ende September auf APA-Anfrage nach dem Auskunftspflichtgesetz. Das BKA verwies dabei auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Kommission, die insbesondere eine koordinierende Funktion vorsähen.

Ab wann man von Kompromittierung spricht

Bekomme eine Person rechtmäßig Zugang zu einer bestimmten klassifizierten Information, müsse davon ausgegangen werden, dass sie die Informationen auch korrekt schütze. „Von einer Kompromittierung wird erst dann gesprochen, wenn Hinweise für eine Weitergabe vorliegen oder Fehlverhalten bekannt geworden ist“, erläuterte das BKA. Erst nach einer solchen Kompromittierung komme es zu einem Aufklärungsprozess, im Zuge dessen auch der potenzielle Schaden ermittelt und versucht werde, diesen zu minimieren. Bei weiteren Anhaltspunkten komme es zu einer Untersuchung und im gegebenen Fall auch zu Strafverfolgung.

(Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)

Außenministerium führt Aufzeichnungen

Zuständig für die Aufklärung von Kompromittierungen seien grundsätzlich die Bundesministerien, in deren Wirkungsbereich die Kompromittierung vermutet werde oder stattgefunden habe, wurde ferner erläutert. Das Außenministerium (BMEIA) erklärte am Donnerstag, dass Aufzeichnungen über den Zugriff auf klassifizierte Informationen geführt würden. Gleichzeitig verweigerte es jedoch die Antwort auf die explizite Frage, ob man sich einschlägig mit seiner ehemaligen Ministerin beschäftigt habe. „Einen schriftlich fixierten Mechanismus für nicht bewiesene Befürchtungen und hypothetische Schäden im Zusammenhang mit dem Abfluss klassifizierter Informationen gibt es nicht“, schrieb das Ministerium.

Keine konkreten Verdachtsmomente

Konkrete Verdachtsmomente gegen die ehemalige österreichische Außenministerin, die als „Kompromittierung“ gelten und Anlass zu einer formalen Untersuchung sein könnten, sind derzeit keine bekannt. Anders als im Fall eines in London durch den Bankier Jan Marsalek geleakten Geheimdokuments aus Österreich, das Ermittler zum Generalsekretär des BMEIA der Ära Kneissl zurückverfolgen meinen zu können, würden freilich diskrete Kontakte in Russland zu dortigen Geheimdiensten auch österreichischen Behörden kaum bekannt werden können.

(Bild: AFP )

Bei Kneissl handelt es sich jedenfalls um die höchstrangige Amtsträgerin aus dem Westen, deren Übersiedlung nach Russland bekannt geworden wäre. In den letzten Jahren hatten russische Medien lediglich von der 1931 geborenen US-amerikanischen Historikerin Suzanne Massie berichtet, die Mitte der Achtzigerjahre den damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan beraten hatte und der 2021 durch einen Erlass von Wladimir Putin die russische Staatsbürgerschaft verliehen worden war.

Kneissls Rolle in Russland

Die 58-jährige Österreicherin spielt in Russland indes eine aktivere Rolle: Sie tritt häufig in russischen Staatsmedien auf und leitet an der auch für seine historische Affinität zu Geheimdiensten bekannten St. Petersburger Staatlichen Universität (SPbGU) einen neu errichteten Thinktank namens „Geopolitical Observatory for Russia‘s Key Issues“ („Geopolitisches Observatorium für russische Schlüsselfragen“, Anm.).

Die für die Institution verwendete Abkürzung G.O.R.K.I. lässt sich dabei nicht nur als Anspielung auf den Schriftsteller Maxim Gorki (1868-1936) und somit als freundliche Geste an die auch für ihr Interesse an russischer Literatur bekannte Expolitikerin aus Österreich verstehen. Russinnen und Russen erinnert das Akronym auch an die Hochzeitsfeier der damaligen Außenministerin, die 2018 im südsteirischen Gamlitz auch von Wladimir Putin beehrt wurde: Mit dem Ruf „gorko“ („bitter“, Anm.) werden bei Hochzeiten in Russland traditionell die Brautleute aufgefordert, einander zu küssen.

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