Nach außen wirkte er unverletzlich, für manche deshalb sogar überheblich. Möglicherweise ist das auch der Grund, warum das tragische Ableben von Christian Pilnacek, Österreichs einst schillerndstem Justizbeamten, nun die Politikszene erschüttert.
Denn nur wenige wussten, wie tief verletzt Pilnacek, der viele Jahre als der heimliche Justizminister galt, tatsächlich war. Er war ein Machtmensch, der sicher Fehler begangen hatte. Doch rechtfertigen seine Unzulänglichkeiten, dass manche seiner legendären Chatpassagen von seinen Gegnern immerfort wieder ausgebuddelt wurden, damit sie sich ins kollektive Gedächtnis brennen?
Kurz übt heftige Kritik an Justiz
Vor allem Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) übt heftige Kritik an den öffentlichen Demütigungen, die Pilnacek seit seiner Suspendierung Anfang 2021 erlebte. In einem Posting auf X (vormals Twitter) schreibt Kurz: Die Auseinandersetzungen in der Justiz seien in eine Schlacht ausgeartet, in der Pilnacek unter anderem durch die Veröffentlichung privater Nachrichten diskreditiert worden sei.
Der Verstorbene selbst habe sich nie dieser Methoden bedient, schreibt Kurz: „Im Gegenteil, er hat das zutiefst abgelehnt.“ Der Jurist habe sich nie an Menschenjagden beteiligt, sondern immer auf Objektivität gepocht.
Wegen Spekulationen: Leichnam wird obduziert
Die letzten Stunden in Pilnaceks Leben werden wohl nie ganz geklärt werden. Sein Leichnam wird nun obduziert. Durch die Geisterfahrt auf der Donauuferautobahn wäre Pilnacek ein Strafprozess wegen fahrlässiger Gemeingefährdung bevorgestanden. Dem einstigen Sektionschef hätte bis zu ein Jahr Haft gedroht.
Seine Existenz war ohnehin schon durch die Scharmützel mit Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zerstört. Den Druck einer neuerlichen öffentlichen Beschämung hielt er möglicherweise nicht mehr aus.
Das ist der klassische Ablauf, wenn man einen Menschen in den Tod treibt.
Psychiater Reinhard Haller
„Ausdruck der Unkultur der Beschämung“
Für den renommierten Psychiater Reinhard Haller ist das Drama „der klassische Ablauf, wenn man einen Menschen in den Tod treibt“. Es sei die „Paniktat eines zermürbten Menschen“. Die Tragödie sei „der Ausdruck der Unkultur der Beschämung“, die in Österreich vorherrsche. Das führe zu „diesen Katastrophen“, kritisiert der Experte.
Daher appelliert Haller an alle Beteiligten, ein „sachlicheres und wertschätzenderes Klima“ zu erzeugen, damit den Menschen nicht die letzte Scham genommen wird. Für Pilnacek - oder „Pil“, wie er genannt wurde - kommt der Appell freilich zu spät.
Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person sich in einer psychischen Ausnahmesituation befinden oder von Suizid-Gedanken betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge unter der Telefonnummer 142. Weitere Krisentelefone und Notrufnummern finden Sie HIER.
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