Ballett der Oper Graz

Ein märchenhafter Tanz zwischen den Geschlechtern

Steiermark
22.10.2023 15:49

Das Ballett der Oper Graz startet mit „Orlando“ in die neue Saison. Die irische Choreografin Marguerite Donlon inszeniert den feministischen Klassiker mit der großartigen Lucie Horna in der Titelrolle.

Sie war Mann; sie war Frau; sie kannte die Geheimnisse, teilte die Schwächen beider.„ Es ist ein ebenso rätselhaft-poetisches wie satirisch-erleuchtendes Märchen, das Virgina Woolf mit „Orlando" vor gut 100 Jahren verfasst hat. Es ist die Geschichte eines jungen Aristokraten, der aus mysteriösen Gründen über Jahrhunderte hinweg lebt, einigen der großen Figuren der englischen Geschichte begegnet und im Laufe seines Lebens sogar das Geschlecht wechselt.

Es ist aber auch die Geschichte eines Poeten, der ein Leben lang mit seinem Werk ringt - und als moderne Künstlerin zwar einen späten Erfolg feiert, nach der Geschlechtswandlung aber mit vielen anderen Vorurteilen und Schubladisierungen ringt.

Feministischer Klassiker als zeitloses Märchen
Die irische Choreografin Marguerite Donlon bringt den feministischen Klassiker als zeitloses Märchen auf die Bühne. Geschickt spielt sie sowohl in ihrer Bewegungssprache als auch in den Kostümen (Silke Fischer) mit den unterschiedlichen Epochen, die dieses Bewegungsepos durchschreitet. Auch die Musikauswahl - von Henry Purcell und Edward Elgar bis Benjamin Britten und Philip Glass - unterstützt diese Aura der Zeitlosigkeit, die von den Grazer Philharmonikern unter Marius Burkert souverän in die Oper gezaubert wird.

Lucie Horna mit dem Ensemble (Bild: Andreas J. Etter)
Lucie Horna mit dem Ensemble

So wie auch die literarische Vorlage schafft Donlon den Spagat zwischen Ernsthaftigkeit und Humor, zwischen Handlung und Kommentar. Auf was sie im Vergleich verzichtet, ist die modernistische Fragmentierung - in ihrer Inszenierung ist „Orlando“ der Stoff für ein recht klassisches Handlungsballett.

Licht und Schatten
Donlon zeichnet auch für die Bühne mit halbtransparenten Stoffbahnen verantwortlich, die ein Spiel mit Licht und Schatten, Durchsichtigkeit und Verstecktheit erlauben. Bespielt werden diese mit Animationen von Lieve Vanderschaeve, die teilweise fantastische Momente ermöglichen, teilweise aber gar schablonenhaft wirken.

In der Titelrolle brilliert Lucie Horná. Scheinbar mühelos trägt die omnipräsente Tänzerin den Abend. Ihrem Orlando verleiht sie spitzbübischen Charme, feministische Kampfbereitschaft und androgyne Grazie ohne dabei - bei allem Spiel mit Geschlechterzuschreibungen - jemals in eine Form der Manieriertheit zu verfallen.

Spielfreudiges Ensemble
Unterstützt wird sie dabei von einem spielfreudigen Ensemble, das Donlons Choreografie sowohl in den romantischen Passagen (Mireia Gonzalez Fernandez als Sascha, Leonardo Germani als Shlemerdine), wie auch in den humoristischen Szenen (Christoph Schaller als Henrietta, Savanna Haberland als Elizabeth I.) erstklassig erfüllt. Und wenn Donlon (etwa zu „Pomp and Circumstance“) das gesamte Ensemble antanzen lässt, dann läuft dieser „Orlando" ohnehin zur absoluten Höchstform auf.

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