Einen Tag vor dem Nationalfeiertag hat die FPÖ am Mittwoch eine Sondersitzung des Nationalrats einberufen lassen. Ihr Anliegen ist laut „Dringlichem Antrag“ in erster Linie der Erhalt der Neutralität. FPÖ-Chef Herbert Kickl attackierte in seiner angriffigen Rede die türkis-grüne Bundesregierung scharf: „Sie zerstören und ramponieren die Neutralität und verludern das kostbare Erbe großer Staatsmänner der Vergangenheit.“ Staatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) konterte seinen Aussagen. Für die Koalition sei die Neutralität „unumstößlich“.
Wenige Stunden vor der Sondersitzung fand Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) klare Worte für den FPÖ-Chef. „Kickl maßt sich an, als Neutralitätsverräter aufzutreten“, sagte sie im exklusiven krone.tv-Interview mit Conny Winiwarter. Man sei gerade dabei, all die „Versäumnisse der Vergangenheit“ unter dem damaligen Innenminister Kickl „wiedergutzumachen“.
Tanner auf krone.tv: „Helfen Kickl gern von seinem hohen Ross“
„Die Regierungsspitze ist auf der Flucht“
Kickl ging darauf in seiner rund 20-minütigen Rede aber nicht ein. Er kritisierte vielmehr das Fehlen des Kanzlers und Vizekanzlers. „Die Regierungsspitze ist auf der Flucht. Sie ist auf der Flucht vor dem Parlament, vor der Freiheitlichen Partei, der eigenen Bevölkerung, der Konfrontation mit ihrem eigenen kapitalen Versagen und vor dem Blick in den eigenen Spiegel“, ätzte Kickl.
Auch in der Bundespräsidenten-Loge herrsche gähnende Leere, meinte der blaue Klubchef in Richtung Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen, den er per offenem Brief zur Sitzung eingeladen hatte.
Kickl kritisiert „Gaspilgerfahrt“ Nehammers mit Gewessler nach Katar
Kickl nahm auch zu Nehammers aktueller Staatsreise nach Israel Bezug. In Tel Aviv habe der Kanzler die Möglichkeit zu erklären, warum er vor nicht allzu langer Zeit eine regelrechte „Gaspilgerfahrt“ mit Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) nach Katar geliefert habe. Es handle sich nämlich um jenes Katar, das die Terroristen der Hamas finanziere. Und es seien genau diese Terroristen gewesen, die Israel überfallen und unschuldige Zivilisten massakriert und entführt haben. „Gestern in Katar, heute in Israel“, teilte Kickl gegen den Kanzler aus.
„Kogler übt schon für die Zeit nach der nächsten Wahl“
Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) bekam sein Fett ab. „Auch der Vizekanzler ist ein Flüchtling. Aber ich sehe das positiv. Er übt schon für die Zeit nach der nächsten Wahl“. Nach dieser gebe es im Parlament - weder auf der Regierungsbank noch in den Reihen der Abgeordneten - keinen Werner Kogler mehr. Für Österreich wäre das ein „Befreiungsschlag“ so Kickl.
Die Bevölkerung ist Opfer der Regierung, die die Souveränität des Landes aufgegeben hat.
FPÖ-Chef Herbert Kickl
Österreich als „Friedensbringer für die ganze Welt“
Kickls Vision ist, dass Österreich in der internationalen Sicherheitspolitik wieder ein Faktor werde, und das in seiner Funktion als neutraler Staat - „das kleine Österreich als Friedensbringer für die ganze Welt“. Einmal mehr verurteilte der FPÖ-Chef die Unterstützung der Regierung für die Ukraine, die Österreich in einen Wirtschaftskrieg „unter Vergatterung der USA“ hineingetrieben habe. Dies habe dramatische Auswirkungen für Wirtschaft wie Haushalte gehabt.
Dabei wäre eine aktive Neutralitätspolitik nichts anderes als eine gute Sicherheitspolitik für das eigene Land und eine gute Friedenspolitik für die Welt, findet Kickl. Doch zerstöre die Regierung lieber die Neutralität: „Sie verludern ein kostbares Erbe von großen Staatsmännern der Vergangenheit.“
Kickl: „Der Sicherheitsapparat hat kapituliert“
Neben diversen Kritikpunkten an EU und UNO geißelte Kickl auch die Zuwanderungspolitik der Regierung, die er mit kriminellen Akten in Österreich nach dem Hamas-Angriff auf Israel in Zusammenhang brachte. „Tickende Zeitbomben“ seien im Land und das alles im Herzen der Bundeshauptstadt. Der Sicherheitsapparat habe kapituliert.
Plakolm verteidigt Neutralität
Ganz anders sah das Österreich der Plakolm‘schen Schilderung aus: „Österreich bleibt ein friedliches, sicheres, wohlhabendes Land“, stellte die Staatssekretärin fest. Gleichzeitig beschrieb sie ausführlich die finanziellen Zuwendungen an die Sicherheitsressorts, die von der Regierung gesetzt worden seien - „um eine wehrbare Demokratie zu bleiben.“ Wohl mehr für ihre eigene Partei bewarb Plakolm die gezogene „Asylbremse“.
Die Neutralität ist unser höchstes Gut. Österreich war neutral, ist neutral und wird neutral bleiben.
Staatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP)
Die Neutralität steht für sie jedenfalls nicht zur Disposition: „Die Neutralität ist unser höchstes Gut. Österreich war neutral, ist neutral und wird neutral bleiben.“ Das heiße aber nur, dass man militärisch neutral sei. Denn man sei immer auf der Seite jener, die angegriffen würden: „Neutral zu sein heißt nicht, dass wir keine Meinung zu weltpolitischen Ereignissen haben.“
Auch SPÖ. Grüne und NEOS mit Kritik an FPÖ
Auch die anderen Fraktionen konnten mit dem „Dringlichen“ der FPÖ nichts anfangen. „Wie unglaubwürdig kann man eigentlich sein?“, fragte sich SPÖ-Verfassungssprecher Jörg Leichtfried. Er hielt den Freiheitlichen vor, dass ihr Vorgänger VdU 1955 als einzige Partei gegen die Neutralität gestimmt habe und die FPÖ später immer wieder für einen NATO-Beitritt eingetreten sei.
Wie unglaubwürdig kann man eigentlich sein?
SPÖ-Verfassungssprecher Jörg Leichtfried in Richtung Kickl
Von einem „Schmäh“ der FPÖ sprach auch Michel Reimon von den Grünen. Niemand hier fordere einen NATO-Beitritt, dennoch malten die Blauen einen solchen an die Wand. „Die beste Souveränitätspolitik, die wir machen können, ist der Ausstieg aus Öl und Gas“, meinte Reimon außerdem, also solle man sich am besten von Russland und den Golfstaaten unabhängig machen.
„Wir sind gemeinsam stärker als allein“, betonte auch NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. Die Antwort der FPÖ auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine und den Terrorüberfall der Hamas auf Israel sei „besser isoliert als zusammen in Europa“, kritisierte sie, „es will mir einfach nicht in den Kopf“. Die Neutralität schütze Österreich nicht, „niemand wird nicht angegriffen, bloß weil er neutral ist“. Meinl-Reisinger pochte stattdessen auf eine Stärkung der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und beispielsweise eine „echte europäische Armee“.
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