Ex-KZ-Wächter

Als Nazi-Verbrecher verurteilter John Demjanjuk ist tot

Ausland
17.03.2012 12:27
Der als Nazi-Verbrecher verurteilte ehemalige KZ-Wärter John Demjanjuk ist tot. Die Polizei in Bayern bestätigte am Samstag einen entsprechenden Bericht des Bayerischen Rundfunks. Demnach starb der 91-Jährige in einem Seniorenheim in Bad Feilnbach bei Rosenheim. Er war im Mai 2011 wegen Beihilfe zum Mord an rund 28.000 Juden im Vernichtungslager Sobibor zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil war aber noch nicht rechtskräftig.

Mit der Verurteilung Demjanjuks war einer der letzten NS-Kriegsverbrecherprozesse in Deutschland zu Ende gegangen. Der gebürtige Ukrainer kam aber auf freien Fuß, weil das Gericht unter anderem wegen dessen hohen Alters den Haftbefehl außer Vollzug setzte. Demjanjuk war 2009 von den USA nach Deutschland ausgeliefert worden.

Ein "Trawniki" vor deutschem Gericht
Der Prozess galt als historisch, weil mit Demjanjuk erstmals ein als KZ-Wärter von der SS zwangsverpflichteter Osteuropäer - ein sogenannter "Trawniki" - vor ein deutsches Gericht gestellt wurde. Demjanjuk war laut Urteil 1943 ein halbes Jahr in Sobibor an der massenhaften Judenvernichtung im Zuge der "Aktion Reinhardt" beteiligt. Während der Einsatzzeit Demjanjuks kamen in Sobibor rund 28.000 Juden ums Leben. "Der Angeklagte war Teil dieser Vernichtungsmaschinerie", sagte Richter Alt in seiner Urteilsbegründung. Jeder "Trawniki" habe gewusst, "dass er Teil eines eingespielten Apparates war".

Das KZ Sobibor war ein Vernichtungslager, das von den Nationalsozialisten ausschließlich zur Ermordung von Juden bestimmt war. Den etwa 400 mal 600 Meter großen Komplex errichteten sie 1942 im Bezirk Lublin im besetzten Polen. Insgesamt starben dort bis zu 250.000 Menschen. Im Rahmen der "Aktion Reinhardt" wurden zunächst vor allem polnische Juden in den Gaskammern von Sobibor ermordet, später auch Juden aus Deutschland, Frankreich, Tschechien, der Slowakei und den Niederlanden. Zum Lagerpersonal gehörten etwa 30 SS-Männer. Als Wach- und Sicherheitspersonal wurden auch 90 bis 120 meist osteuropäische "Hilfswillige" eingesetzt. Diese Männer, die im SS-Lager Trawniki ausgebildet worden waren, wurden deshalb auch "Trawniki" genannt.

Demjanjuk war 1942 als Sowjetsoldat in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten. Den Ermittlungen zufolge entschied er sich zur Kooperation mit den Nazis und wurde als "Trawniki" mit der Dienstnummer 1393 von Oktober 1943 bis Dezember 1944 Aufseher in Sobibor. Nach dem Krieg lebte Demjanjuk an verschiedenen Orten, bevor er Anfang der 1950er-Jahre in die USA einwandern konnte.

Aufgrund einer Mitte der 1970er-Jahre von Sowjetbehörden an die USA übersandten Liste mit den Namen von 70 angeblich in den Vereinigten Staaten lebenden mutmaßlichen NS-Verbrechern befasste sich die amerikanische Justiz mit ihm. Bei weiteren Recherchen glaubten Überlebende des Todeslagers Treblinka, in ihm den Gaskammerwärter "Iwan den Schrecklichen" wiedererkannt zu haben. Wegen falscher Angaben über seine Vergangenheit bei der Einreise wurde ihm 1981 die US-Staatsbürgerschaft aberkannt.

Bereits 1988 in Israel schuldig gesprochen
Im Februar 1986 lieferte ihn die US-Regierung an Israel aus, ein Jahr später begann dort sein Prozess. Am 25. April 1988 endete das Verfahren mit einem Todesurteil. Das Sondergericht sprach Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord an mehr als 800.000 Juden sowie wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen das jüdische Volk schuldig. Er bestritt bis zuletzt, je KZ-Wächter gewesen zu sein, und bezeichnete sich als Opfer einer Verwechslung. Am 29. Juli 1993 hob das Oberste Gericht Israels das Todesurteil auf, weil seine Identität tatsächlich nicht einwandfrei geklärt werden konnte.

Demjanjuk kehrte in die USA zurück, wo er als Staatenloser bei seiner Familie in Seven Hills bei Cleveland im Bundesstaat Ohio lebte. Die Zentrale Stelle der deutschen Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg nahm aber erneut die Arbeit auf und sammelte auch neue Beweise. Im November 2008 übergab sie das Material der Staatsanwaltschaft München. Nachdem ein Gutachten des bayerischen Landeskriminalamtes die Echtheit eines Demjanjuk zugeordneten SS-Dienstausweises bestätigte, erließ das Amtsgericht München am 11. März 2009 Haftbefehl.

Nach wochenlangem Tauziehen wurde Demjanjuk am 11. Mai 2009 von den USA abgeschoben. Er traf am 12. Mai 2009 per Sondermaschine in München ein und wurde in die Münchner Haftanstalt Stadelheim gebracht. Am 3. Juli 2009 gab die Anklagebehörde bekannt, dass der damals 89-Jährige laut ärztlichem Gutachten verhandlungsfähig ist. Am 1. Oktober 2009 ließ das Landgericht München II die Anklage zu. Am 30. November 2009 begann dann unter großem Andrang von Medien der Prozess.

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