Drei Jahre nach dem Wiener Terroranschlag: Experte Nicolas Stockhammer analysiert, wie effektiv die Behörden gegen Extremismus vorgehen. Die Ruhe ist trügerisch.
Paris, Berlin und Brüssel. Dann passierte es auch in Wien. Am 2. November jährt sich der Terroranschlag zum dritten Mal. Wenige Tage vor dem Jahrestag ist die Sicherheitslage angespannt. Der Terrorexperte Nicolas Stockhammer hat den Terroranschlag im neuen Buch „Trügerische Ruhe“ (Amalthea Verlag) aufgearbeitet. Für die „Krone“ analysiert er, welche Konsequenzen die österreichischen Behörden aus dem Terroranschlag gezogen haben und wo es noch Lücken gibt.
Welche Konsequenzen wurden gezogen?
Relativ schnell nach dem Terroranschlag wurde die neue DSN (Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst) aufgebaut. Außerdem sei der Staatsschutz massiv in die „Islamisten-Szene eingedrungen“ und habe die „Netzwerke aufgebrochen“, schildert Stockhammer. Dabei seien auch einige „faule Eier herausgeholt worden“. Der Terrorexperte bilanziert: „Wir sind quantitativ und qualitativ besser geworden, aber die Bedrohungslage hat sich verändert.“
Wie hoch ist die Gefahr?
Wien und Graz haben eine ausgeprägte Dschihadisten-Szene. „Wir sind das Einfallstor zum Balkan“, so Stockhammer. Andererseits ist Wien durch den Sitz vieler internationaler Organisationen auch im Fokus von Extremisten. Zwischen 50 und 70 Gefährder befinden sich im Land. Weitere 200 Personen zeigen eine Affinität für Extremismus, die gefährlich werden könnten.
Wie radikalisieren sich die Täter derzeit?
Rund 80 Prozent werden in den sozialen Netzwerken radikalisiert. Der neueste Trend sind „Influencer-Prediger“. Sie kokettieren mit Verschwörungserzählungen. Etwa, dass die Politik antimuslimischen Rassismus fördere und die Bevölkerung zum Islamhass umerzogen würde. Die Entwicklung des Wiener Attentäters sei „typisch“ für die eines europäischen Attentäters. Als „Einzeltäter Plus“ hatte er zwar ein Netzwerk, das ihn in seiner Ideologie unterstützte, die Planung des Anschlags hat er alleine durchgeführt. Derzeit sei man mit „Gelegenheits-Terrorismus“ konfrontiert.
Wo sind die Mankos?
Ein wirkliches Manko für Stockhammer ist die Tatsache, dass die Behörden aus Datenschutzgründen nicht die Handys von potenziellen Gefährdern überwachen dürfen. Ein entsprechendes Gesetz hat der Verfassungsgerichtshof gekippt. „Hier steht das Recht auf Datenschutz dem Recht auf Leben entgegen.“ Generell vermisst der Experte von der Justiz mehr Engagement bei der Umsetzung von Anti-Terrorgesetzen.
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