So wie alles im Leben haben sich auch die Übergänge an Kärntens internationalen Grenzen verändert: Sie wurden geschlossen, geöffnet, kontrolliert, sich selbst überlassen. Für den Fall, dass noch nicht jedes der in diesem Text erwähnten Vergehen verjährt ist, wollen wir die Erzähler anonymisieren - und tun die Erlebnisse als Jugendsünden ab.
Was wir verraten: Er war und ist Grenzgänger. Und wer kann es ihm verübeln? Der Luxus unseres Bundeslandes liegt auch darin, auf einen Nachmittagskaffee nach Tarvis fahren zu können oder am Vormittag die Zutaten fürs Abendessen auf dem Fischmarkt in Laibach einzukaufen.
„Aber bis in die späten Neunzigerjahre machte man noch mit den Härten der Grenzkontrollen Bekanntschaft. Schmuggel stand ja auf der Tagesordnung“, erinnert sich der Kärntner. „Bei Elan-Ski in Begunje konnte man sich schon damals Skier maßfertigen und speziell designen lassen. Diese aber zollfrei heimzubringen, war nicht so einfach. Am besten ging es winters im Skianzug und die Skier vorher in Slowenien durch Schnee gezogen.“
Was riecht da so nach frischem Leder?
„Da geht’s zu wie am Tarviser Markt“ ist eine Kärntner Redewendung, deren Ursprung wohl jeder kennt: Jeans und vor allem Lederjacken auf dem Markt in Tarvis zu kaufen - nach Preisverhandlungen der ,anderen’ Art - gehörte zu einem Kärntner Ritual. Doch wehe, der Zöllner roch das - beim Leder im wahrsten Wortsinn! Dann war die Freigrenze schnell erreicht, und die Diskussion fing an. Auch Pflanzen-Importe waren verboten: „Ein schöner Olivenbaum aus dem Friaul musste an der Grenze zurückgelassen werden.“
Ein Erlebnis blieb unserem Erzähler besonders in Erinnerung: „Wenn man als Österreicher am Steuer mit einem nicht in Österreich zugelassenen Auto über die Grenze wollte, wurde ein hoher Prozentsatz des Wertes fällig; außer die Besitzerin war dabei und bestätigte, dass ihr übel sei und sie deshalb nicht selbst fahren könne“
Flucht im Gepäckabteil
Auch Personen mussten ab und an „geschmuggelt“ werden: „Wie einmal ein junger Tscheche, der es über Ungarn nach Kärnten geschafft hatte, aber hier beim Versuch, nach Italien zu gelangen, gescheitert ist. Er hatte über die amerikanische Botschaft in Rom zu seinem Bruder in die Staaten emigrieren wollte. Kärntner nahmen sich seiner an und ,organisierten’ die Reise. Der junge Mann musste kurzerhand im damals den meisten bereits unbekannten Gepäckabteil eines Oldtimers abtauchen, bis er in Udine schließlich in einen Zug und weiter konnte. Er hat es übrigens zu seinem Bruder geschafft“
Senza Confini: Erinnerungen einer Schmugglerfamilie
Über Generationen spielten wir Katz’ und Maus mit den Zollbeamten. Mit dem EU-Beitritt war Schluss. Vorerst ... Bluse über Bluse und Rock über Rock - wie für eine Polarexpedition wurden die beiden Mäderln in neue Kleidungsstücke eingepackt, als es in den Sechzigern über den Grenzübergang bei Tarvis ging, um nichts verzollen zu müssen. „Ein paar Unterhosen und Socken“, lautete dann die knappe Antwort des Großvaters auf die Frage des Zöllners nach Einkäufen, denn ein „Nichts“ wäre verdächtig gewesen. Großmutter schenkte dem Zöllner ein gewinnendes Lächeln.
Auch als ich in den Achtzigern - mehrschichtig verpackt und leicht schwitzend - aus dem Grado-Urlaub mit Oma und Opa zurückkehrte, blieben die beiden gelassen. Nebenan gab’s eine spontane Jause: Wegen Maul- und Klauenseuche mussten Prosciutto, Mortadella und Co. direkt vor Ort verspeist oder in den Müll geworfen werden.
Dann, kurz nach dem Millennium, war ich schließlich selbst als Schmuggler aktiv: Mit kiloweise Zigaretten und Snus im Kofferraum, lenkte ich das Auto über den Wurzenpass. Trotz Ruhepuls 120 und hysterischer Mitfahrer winkte uns der Beamte dann doch weiter. Heute werden die Grenzen wieder kontrolliert, aber Mode und Jause aus Italien oder Tabak aus Slowenien interessieren keinen mehr.
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