„Krone“-Reporter Robert Fröwein flaniert durch die Stadt und spricht mit den Menschen in Wien über ihre Erlebnisse, ihre Gedanken, ihre Sorgen, ihre Ängste. Alltägliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.
Wenn Sie dieser Tage irgendwo in den Untiefen des World Wide Web unterwegs waren, sind sie ziemlich sicher auf ein Video gestoßen, das rundum viral ging. Mehrere Millionen Mal wurde das Bewegtbild einer Influencerin geklickt, die nach einem Acht-Stunden-Tag auf ihrer neuen Arbeitsstelle förmlich zusammenbricht. Sie hätte keine Energie mehr, um abends zu funktionieren. Kochen, Freunde treffen oder Sport auszuüben seien ihr unmöglich. Da sie zur Arbeitsstelle lange hin- und herpendeln muss, wäre auch das Kennenlernen von Männern erheblich erschwert. Die Kommentare in den diversen Foren waren unterschiedlich. Von „wir haben früher 60 Stunden in der Woche gearbeitet, eigenhändig ein Haus gebaut und zwei Kinder großgezogen“ bis zu „absolut verständlich, dieses Modell ist nicht mehr zeitgemäß“ wurden alle Pole bedient.
In einer Zeit der ständigen Spaltung und eindeutiger Positionierungen regen wenige Themen so auf, wie die Arbeit und ihre Zukunft. Kein Wunder, ist doch jeder Einzelne direkt damit konfrontiert. Hier tut sich eine besonders harsche Generationskluft auf, auch wenn der bloße Wunsch nach einer gesunden Work/Life-Balance bei der jungen Generation Z nach Umfragewerten nicht viel stärker ausgeprägt ist als jener der Millennials oder der Generation X. Ein angenehmes und entspanntes Leben zu führen, in dem man neben der Lohnarbeit ausreichend Zeit für Familie, Freunde, Sport und Kreativität hat, ist fast allen ein elementares Anliegen. Vielen jüngeren Menschen geht es auch weniger um die Arbeit an sich, sondern um die Starrheit gewisser Systeme. „Wir kriegen die Jungen heute nur mehr, wenn wir ihnen Flexibilität und Home-Office-Möglichkeiten anbieten“, erzählte mir unlängst ein Bekannter aus der Medienbranche.
Nun ist aber auch klar, dass Dienstverhältnisse keine Einbahnstraße und derart hehre Wünsche auch nicht in allen Berufen möglich sind. Die bloße Vorstellung einer arbeitsfreien Wohlfühlkarriere ist natürlich utopisch, doch die wandelnde Einstellung junger Menschen hat auch mit Zukunftsängsten zu tun. „Warum soll ich 40 Stunden die Woche buckeln, wenn ich mit dem Verdienst dafür gerade noch so über die Runden komme“ oder „alles wird immer teurer, aber wenn ich mich um Jobs bewerbe, wird mir ein Lohn angeboten, mit dem ich neben der Miete nicht leben kann“ sind oft getätigte Antworten, wenn man in Wien bei der jüngeren Generation nachfragt. Es ist eine Mischung aus Perspektivlosigkeit und dem Unwillen, sich vom Turbokapitalismus ausbeuten zu lassen.
Unlängst haben sich zwei jüngere Burschen in Arbeitsmontur an einer Straßenbahnstation in Ottakring unterhalten. Es ging um die Partyplanung fürs Wochenende, aber auch um das bierernste Thema Arbeit. Wann sich Leistung denn für gewöhnliche Arbeitnehmer das letzte Mal wirklich gelohnt hätte, fragte der eine sinngemäß, denn „ich kenne keinen Hackler bei uns, der es von der Werkstatt in die Geschäftsführung geschafft hat“. Zur Perspektivlosigkeit der jungen Masse gehört auch das in vielen Konzernen vorgelebte „Vitamin B“ und das Zuschieben wichtiger Posten in sehr kleinen, elitären Kreisen. Es sind nicht immer nur das Geld oder die Arbeitszeit, manchmal fehlt es schlicht und einfach an Karriereaufstiegsmöglichkeiten, die auch einer Work/Life-Balance liebenden jungen Generation wichtig sind. Der Arbeitsmarkt verändert sich drastisch, aber er bietet auch die Chance, im Leben tatsächlich mehr Zeit zum Leben zu haben. Dafür müssen sich die unterschiedlichen Generationen aber endlich auf Augenhöhe begegnen.
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