Wenn eine Belohnung winkt, sind wir bereit, viel dafür zu tun. Diese Erkenntnis hält auch immer mehr in der Arbeitswelt Einzug. Aber nur richtig umgesetzt, ist die sogenannte „Gamifizierung“ für alle ein Gewinn.
Wir sind alle „Gamer“! Wir streben nach Lob und Anerkennung, wir sind „süchtig“ nach Spielen und Erfolgserlebnissen. Die Jüngeren kennen das aus Computerspielen nur zu gut: Punkte sammeln, etwas aufbauen, ein Ziel erreichen, eine Mission erfüllen. Wird das „Level“ erfolgreich abgeschlossen, schüttet der Körper Glücksgefühle aus. Dabei macht sich die Computerspielindustrie nur ein Naturgesetz zunutze: Der Mensch ist ein spielendes Wesen, „gezockt“ wird seit jeher. Kein Wunder also, dass „spielerische“ Methoden zunehmend auch in der Arbeitswelt Einzug halten, um Leistung und Produktivität zu steigern.
Fest in der alltäglichen Routine verankert
Die Wissenschaft hat einen Namen dafür: „Gamifizierung“ oder „Spielifizierung“. Der Begriff ist zwar relativ neu, umgesetzt werde die Methode aber schon lange, weiß Willy Kriz, Professor an der Fachhochschule Vorarlberg. In Dornbirn wird in den betriebswirtschaftlichen Studiengängen konkret zur Thematik gelehrt und geforscht. Sogenannte „Planspiele“ werden zudem als Lehrmethode in allen Studiengängen eingesetzt. „Gamifizierung begegnet uns bereits jetzt überall im Alltag“, so Kriz. Beispiele sind Ranglisten, Punktesysteme, Abzeichen, Pokale, aber auch die beliebten Rabattmarken- und Stempelsysteme zum Sammeln. „Die Forschung kennt mehrere hundert solche Mechanismen und Elemente, die in unterschiedlicher Form miteinander kombiniert werden.“ Und eben auch in der Arbeitswelt eingesetzt werden können.
„Mitarbeiter des Monats“ eine zweifelhafte Ehre
Richtig umgesetzt, könne „Gamifizierung“ die Arbeit mit Sinn erfüllen und Leistung und Motivation steigern. „Natürlich sind damit auch potenzielle Gefahren verbunden, da es wie bei allen Methoden, Instrumenten und Technologien darauf ankommt, wie sie eingesetzt werden“, betont der FH-Professor.
Belohnungen für Arbeitsleistungen gibt es bereits seit Jahrzehnten in unterschiedlichster Form. Die bekannteste ist wohl die Auszeichnung zum „Mitarbeiter des Monats“. Diese zur Leistungssteigerung eingesetzte Ehrung führte jedoch häufig zu Demotivierung und Neid bei den anderen Mitarbeitern. „Leider zielen viele gamifizierte Systeme und Anwendungen immer noch auf einen recht oberflächlichen und schnellen Erfolg“, bedauert Kriz. „Bestimmte Formen von Gamification wecken sogar ganz bewusst negative Emotionen und erzeugen Abhängigkeit sowie Druck und sind stark manipulativ.“ Ein Beispiel dafür, das viele vom Online-Shopping kennen werden, ist der Satz: „Nur noch wenige Stücke verfügbar.“
Leider zielen viele gamifizierte Systeme und Anwendungen immer noch auf einen oberflächlichen und schnellen Erfolg. Bestimmte Formen wecken sogar ganz bewusst negative Emotionen.
Christian Kriz, Wirtschaftspsychologe und FHV-Professor
„Elektronische Peitsche“ in Disneyland
Eine besonders drastische Art der negativen Anwendung ist das „Social-Credit-System“ in China. Bürger, die sich an „Regeln“ halten, bekommen staatliche Benefits. Wer sich „falsch“ verhält, wird hingegen bestraft. Als ein abschreckendes Beispiel für die Gamifizierung in einem Produktionsprozess werden oft die früheren Zustände in den Wäschereien der amerikanischen Disneyland-Standorte genannt: Während oben die Besucher mittels einer kunterbunten Comicwelt bespaßt wurden, sorgte unten in den Wäschereikellern die „elektronische Peitsche“ für massiven Druck. Auf einer Anzeigetafel wurde mittels Ampelsystem aufgelistet, welche Mitarbeiter schnell und welche langsam arbeiten. Die Manager konnten die Monitore von ihrem Büro aus sehen und die Produktionsziele quasi in Echtzeit anpassen. „Das System sollte Motivation und Arbeitsleistung steigern, führte jedoch zu einer höheren Rate an Verletzungen, zudem wurde aus dem ehemals kollegialen Miteinander ein aggressiver Wettlauf.“ Bei der Umsetzung derartiger Methoden sollten deshalb alle Beteiligten eingebunden werden und zudem von professionellen Human-Resources-Abteilungen oder HR-Business-Partnern unterstützt werden, betont Kriz.
Die „Gamifizierung“ ist im Ländle angekommen
Auch in Vorarlberg arbeiten Unternehmen mit dieser Methode - und zwar im positiven Sinne. Bei der Firma Omicron in Klaus gibt es das „Ideenbarometer“. Alle Mitarbeiter können über das Intranet Ideen einbringen. Sobald das Barometer voll ist, wird es geleert und es findet ein Event für alle Mitarbeiter statt. „Es gibt hier zwar ein moderates Wettbewerbselement sowie ein visualisiertes Feedback-Anzeigesystem als typisches Spielelement, aber kombiniert mit einem Benefit für alle.“
Auch bei Gebrüder Weiss in Lauterach wird auf „Gamifizierung“ gesetzt. Beim „Welcome Day“ für neue Mitarbeiter wird beispielsweise mit „Playmobil“ und „Lego“ das Aufgabengebiet visualisiert. Das soll zum besseren Verständnis von Speditionsprozessen dienen - und eine lockere Atmosphäre schaffen. „Wenn man Gamifizierung nachhaltig wirksam und ethisch human betreiben will, dann muss man auf innere Motivationsfaktoren und positive Emotionen setzen“, ist Kriz überzeugt. Die moderne Arbeitswelt werde jedenfalls zunehmend von spielerischen Elementen zur positiven Beeinflussung von Abläufen gestaltet.
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