Wunder vom Karwendel

„In ein paar Stunden wäre Mann wohl tot gewesen“

Tirol
06.11.2023 07:59

Man kann durchaus von einem Wunder sprechen: Ein seit Donnerstag im Tiroler Karwendelgebirge vermisster belgischer Wanderer wurde am Sonntagvormittag bei einer Suchaktion im sogenannten Vomper Loch stark unterkühlt, aber lebend entdeckt und gerettet. Die Rettung glückte praktisch im allerletzten Moment.

Die Nacht auf Allerseelen hatte er im Winterraum der Lamsenjochhütte übernachtet und seinem Bruder in Belgien Fotos geschickt. Im Bereich Lamsenjoch wurde er am 2. November auch zum letzten Mal gesehen - von zwei französischen Alpinisten. Dann verschwand der 55-Jährige, der am 29. Oktober in Scharnitz zu einer Karwendeldurchquerung aufgebrochen war, scheinbar spurlos.

Er meldete sich nicht mehr bei seinem Bruder und kam am Samstag nicht, wie angekündigt, nach Belgien zurück. So verständigte der Bruder am Samstagabend die Polizei in Schwaz.

Bei widrigsten Verhältnissen wurde in der Nacht gesucht. (Bild: ZOOM.TIROL)
Bei widrigsten Verhältnissen wurde in der Nacht gesucht.

Neuschnee erschwerte Sucheinsatz
Sofort wurde eine große nächtliche Suchaktion gestartet. Während die Bergrettung Scharnitz von Westen das Karwendel absuchte, durchkämmten 18 Schwazer Bergretter Lamsenjoch und Vomper Loch. „Um die Lamsenjochhütte lagen 30 Zentimeter Neuschnee, entsprechend fordernd war der nächtliche Einsatz“, schildert Fred Wallenta, Chef der Bergrettung Schwaz und Umgebung. Um 4.30 Uhr musste die Suche ergebnislos abgebrochen werden.

Zitat Icon

Schon am Dienstag hatten wir einen erfolgreichen Sucheinsatz im Halleranger. Derzeit ist nicht die Zeit, das Karwendel zu durchqueren.

Fred Wallenta, Ortsstellenleiter Bergrettung Schwaz und Umgebung

Nur noch 32 Grad Körpertemperatur
Rund zwei Stunden später unternahmen die Bergretter einen neuen Anlauf - unterstützt vom Polizeihubschrauber Libelle Tirol. Pilot Walter Strolz startete mit zwei Bergrettern zu einem Suchflug ins Vomper Loch. Und tatsächlich: In rund 1100 Metern zwischen Jagdhütte und Lochhüttl kauerte der völlig durchnässte Belgier. Ihm war es gelungen, die Retter auf sich aufmerksam zu machen.

Im Bereich des roten Kreises neben dem Bach befand sich der 55-Jährige. (Bild: ZOOM.TIROL)
Im Bereich des roten Kreises neben dem Bach befand sich der 55-Jährige.

„Er war nicht ansprechbar, hatte eine Fußverletzung und nur noch 32 Grad Körpertemperatur“, schildert Wallenta. „Der Mann zitterte von oben bis unten.“ Die Libelle konnte beim Opfer landen und flog den 55-Jährigen dann nach Schwaz zum Helilandeplatz bei der Bergrettung. Dort wartete bereits die Rettung, die ihn ins Krankenhaus brachte.

„Dem recht gut ausgerüsteten Wanderer stand ein Schutzengel bei. Die nächsten Stunden hätte er wohl nicht überlebt“, glaubt Wallenta. Der erfahrene Bergretter rätselt, ob die Fußverletzung die Ursache war, dass der Belgier in Bergnot geriet. "Vermutlich eher nicht, denn auf der Route zwischen Lamsenjoch und Vomper Loch hätte er im Notfall zur Karwendelrast absteigen können. 

Die Rettung brachte den Mann schließlich ins Krankenhaus Schwaz. (Bild: ZOOM.TIROL, Krone KREATIV)
Die Rettung brachte den Mann schließlich ins Krankenhaus Schwaz.

Zwei Sucheinsätze in einer Woche
„Derzeit ist nicht mehr die Zeit für eine solche Karwendeldurchquerung“, warnt Wallenta. Kein Wunder: Am vergangenen Dienstag war auf einer ähnlichen Toure eine junge Deutsche ebenfalls in Bergnot geraten. Die Bergrettung Schwaz fand die Frau nach einer Suchaktion unverletzt im Bereich Halleranger.

„Einer wird mir schon helfen“
Dass im November nach wie vor noch Wanderer in dem Gebiet unterwegs sind, ordnet Wallenta dem Trend der Zeit zu. „Die Leute muten sich viel zu, weil sie glauben, irgendeiner werde ihnen im Notfall schon helfen“, kritisiert er. Die Bilder und Berichte in den sozialen Medien würden stets noch mehr Menschen in die Berge locken. Die Konsequenz: eine dramatische Steigerung der Einsatzzahlen für die Bergretter.

100 statt 10 Einsätze im Jahr
„Ich bin seit 25 Jahren Ortsstellenleiter in Schwaz. Früher hatten wir in starken Jahren rund zehn Einsätze. Inzwischen sind bis zu 100 Einsätze im Jahr fast normal“, schildert er. Dafür die erforderliche Zahl freiwilliger Retter zu finden, gestalte sich nicht einfach.

Kein Handynetz im Vomper Loch: „Da gehörst der Katz!“ 
Wallenta warnt übrigens davor, sich im Vomper Loch im Notfall auf das Handy zu verlassen. „Früher hieß es, wer im Vomper Loch in Bergnot gerät, gehört der Katz“, sagt Wallenta. Dieser Spruch gelte eigentlich immer noch, denn dort gebe es kein funktionierendes Handynetz. Dem Belgier stand jedenfalls alles Glück der Welt zur Seite.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Tirol



Kostenlose Spiele
Vorteilswelt