Unter extremen Hochwässern oder „Megafluten“ versteht man in der Regel Ereignisse mit zumindest doppelt so hohen Pegelständen, wie ein „normales“ Hochwasser in einer Region erreicht. In Österreich ist ein solches Ereignis 2002 am Kamp eingetreten. Ein Team unter der Leitung von Wiener Forschern zeigt nun im Fachblatt „Nature Geoscience“, wie solche „überraschenden“ Fluten besser eingeschätzt werden können. Der Trick liegt in der Erweiterung des Blickes auf solche Ereignisse.
Im deutschen Sprachraum hat zuletzt die verheerende Überschwemmung im deutschen Ahrtal im Sommer 2021 mit rund 200 Toten für Schlagzeilen gesorgt. Der Umgang mit solchen Ereignissen und den Möglichkeiten zur Vorbereitung darauf - auch im Angesicht des virulenter werdenden Klimawandels mit der tendenziellen Zunahme von Extremwetterereignissen - ist in der Folge stärker in den Fokus gerückt.
Als „Megaflood“ bezeichnet man ein Hochwasser, das mehr als doppelt so groß ausfällt wie alle anderen Hochwässer in einer Region in den vergangenen 150 Jahren, erklärte der Vorstand des Instituts für Wasserbau und Ingenieurhydrologie der Technischen Universität (TU) Wien, Günter Blöschl. Letztlich seien dies Ereignisse, die ortsansässige Personen in der Regel für unmöglich halten - bis sie eintreten. Das Kamp-Hochwasser von 2002 in Niederösterreich ist ein typisches Beispiel dafür.
Team untersuchte 510 massive Überschwemmungen
Das Forschungsteam um Blöschl und Studien-Erstautorin Miriam Bertola hat sich dem Thema nun systematisch angenommen. Die Wissenschaftler aus ganz Europa trugen Daten von rund 8000 Messstationen am gesamten Kontinent aus den Jahren 1810 bis 2021 zusammen und ließen sie in ihre neuen Analysen einfließen. Dabei identifizierten die Forscher immerhin 510 solcher massiven Überschwemmungsereignisse.
Situation an Kamp ähnlich wie in Gebiet in Rumänien
Die Grundaussage der neuen Arbeit ist: „So überraschend sind ,Megafloods‘ nicht, wenn man über den eigenen Horizont hinausblickt und auch andere Regionen anschaut“, betonte Blöschl. Wichtig sei hier jedoch „nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen“ - also darauf zu achten, dass man von Gebieten auf andere schließt, wo tatsächlich ähnliche Gegebenheiten herrschen. Zur Situation am Kamp gibt es etwa in einem Gebiet in Rumänien sehr viele Parallelen.
Sandige Böden lassen Pegel schnell in Höhe schießen
Beim Kamp ist es so, dass ein Hochwasser bei einer Verdoppelung der Niederschlagsmenge gleich fünfmal so hoch ausfallen kann. Das liegt an den sandigen Böden der Umgebung im Waldviertel, die zwar recht viel Wasser aufnehmen können, wenn sie aber einmal gesättigt sind, die Pegel sehr schnell ansteigen lassen. Blöschl: „Das ist nicht überall so. In Vorarlberg ist bei doppelt so viel Regen das Hochwasser nur 50 Prozent größer.“
Historische Hochwässer für längerfristige Planungen nützlich
Auf Basis des neuen Datensatzes kann man nun europaweit nach Fällen suchen, aus denen man für vergleichbare Regionen lernen kann. So lasse sich abschätzen, „was die Natur so kann, wenn es extrem wird“, erklärte der Hydrologe. Die Forscher sprechen in ihrer Arbeit von mehr als 95 Prozent der Megafluten, für die sich vergleichbare, historische Hochwässer woanders in Europa fanden. Diese Informationen seien weniger für Echtzeit-Vorhersagen von Hochwässern, als für längerfristige Planungen interessant.
Überregionaler Blick würde Hydrologen helfen
Das mit dem Kampgebiet durchaus vergleichbare Ahrtal hätte so vielleicht aus den Ereignissen des Jahres 2002 in Österreich oder ähnlichen Vorkommnissen in Rumänien etwas lernen können. Dazu brauche es aber eben den überregionalen Blick auf die Dinge. Allerdings ist das im Hochwasserschutz behörden- und verwaltungsseitig vielerorts keineswegs so vorgesehen, so der Hydrologe: „Da an Hochwässer in Rumänien oder sonst wo im Ausland zu denken, kommt eigentlich nicht so in den Sinn.“
Man sollte sich hier in Zukunft daher „großflächiger orientieren“, was in Zeiten von „Big Data“ auch immer einfacher werde. Dazu komme der wichtige Punkt der Bewusstseinsbildung - auch in den Köpfen der Menschen, die an die Möglichkeit solcher und noch größerer Extremereignisse denken sollten, um sich gegebenenfalls anzupassen, betonte Blöschl. Auf der technischen Seite gehe es darum, eine gute Datenbasis zusammenzubekommen, sie weiter zu erhalten und zu pflegen, um bauliche Maßnahmen, Evakuierungspläne und das Wechselspiel zwischen der Gesellschaft und Hochwassergefahren insgesamt zu verbessern.
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