„Krone“-Reporter Robert Fröwein flaniert durch die Stadt und spricht mit den Menschen in Wien über ihre Erlebnisse, ihre Gedanken, ihre Sorgen, ihre Ängste. Alltägliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.
Nichts ist in Österreich so beliebt wie der gute alte Klassenkampf. Hierzulande hat er fast schon so eine austrabende Tradition wie die Sachertorte, Mozartkugeln oder Grant in alt herkömmlichen Kaffeehäusern. Die „Oberen“ treten immer gegen „die da unten“. Die „Unteren“ würden es „denen da oben“ gerne einmal zeigen. Jörg Haider (und später auch HC Strache) propagierten in rechten Wahlkämpfen gerne den Spruch „Sie sind gegen ihn. Weil er für euch ist.“ Nichts als Polemik, aber durchaus wirkungsvoll. Was heute die (a)sozialen Medien machen, wurde früher noch physisch plakatiert. Fakt ist, dass sich die Bürger in Österreich schon seit geraumer Zeit von den Politikern im Stich gelassen fühlen. Wenn wir von drängenden Problemen sprechen, kommen wir mit dem Aufzählen gar nicht mehr nach. Migration, Gesundheits- und Bildungssystem, Sicherung der Pensionen - wo anfangen, wo aufhören?
Das leidige, aber für wirklich alle Bürger relevante Pensionsthema bekam vor einigen Tagen einen ordentlichen medialen Schub. ÖVP-Klubchef August Wöginger erklärte in einem „Profil“-Interview, dass man angesichts der ausufernden Kosten für das Pensionssystem in „eine andere Richtung gehen“ müsse. Konkret heißt das - bei steigender Lebenserwartung müsse der Bürger länger berufstätig sein. Und um den - Sie ahnen es - so beliebten Klassenkampf anzustacheln, nahm Wöginger Studierende ins Visier. „Wer eine längere Ausbildung gemacht hat, soll länger arbeiten. Das ist sozial gerecht. Das ist kein Bashing gegen Studenten, die brauchen wir: Aber wer um zehn Jahre später zu arbeiten beginnt als ein Lehrling, ist anders zu bewerten. Und er soll bis 65 arbeiten und nicht früher in Pension gehen“. Wenn von sozialer Gerechtigkeit die Rede ist, müsste sie aber auch in allen Bereichen so gehandhabt werden, was hierzulande mitnichten der Fall ist.
Paula studierte in grauer Vorzeit mehrere Semester Theaterwissenschaften. Nebenbei arbeitete sie. Mit der Zeit kam sie drauf, dass der Studieninhalt nicht so ganz ihres wäre und wechselte vollständig ins Berufsleben. Zehn Jahre arbeitete sie in verschiedenen Bereichen der Medien- und Unterhaltungsbranche, bis eine innere Einkehr zum Umdenken führte. Mit Anfang 30 bewarb sie sich an einer Fachhochschule für ein Logopädie-Studium, wurde genommen, bekommt dafür aber keine „Studienbeihilfe nach Selbsterhalt“. Der springende Punkt in der Kurzversion: Da Paula schon einmal studierte, gilt der Eintritt in die FH als „Studienwechsel“. Dass sie dazwischen zehn Jahre erwerbstätig war, ständig Steuern bezahlte und für das erste Studium vom Staat keinen Cent Unterstützung bekam, zählt nicht. Das Argument steht auf sehr schwammigen und gesetzlich nicht völlig ausformulierten Beinen, die Reklamationen gegen die Entscheidung sind im Laufen.
„In Österreich bist du den Politikern nur etwas wert, wenn du sofort mit 15 arbeitest“, erzählte mir unlängst ein Bekannter aus der Medizinbranche, „wenn sich Leute freiwillig weiterbilden oder studieren wollen, werden ihnen gerne Prügel vor die Füße geworfen. Bis sie dann selbst im Berufsleben stehen, da nimmt man die höheren Steuern natürlich gerne.“ Das Pensionssystem gehört fraglos reformiert, doch nicht auf den Rücken Studierender, die neben ihrer Fortbildung ohnehin immer öfter arbeiten müssen, um sich den Lebensunterhalt überhaupt finanzieren zu können. Die Diskussion darf auch nicht auf Kosten jener geführt werden, die ihr Leben lang fleißig eingezahlt haben und den verdienten Ruhestand antreten möchten. Mit gegenseitigem Ausspielen wurden noch nie Lösungen gefunden. Das sollte langsam auch im Parlament angekommen sein.
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