"In den Wind gereimt"

“Krone”-Poet Wolf Martin (64) in Wien gestorben

Österreich
13.04.2012 18:14
Nach schwerer Krankheit ist "Krone"-Dichter Wolf Martin am 12. April im Alter von 64 Jahren in Wien verstorben. Der eigenwillige Poet hatte uns 23 Jahre lang mit seinen Versen zum Nachdenken angeregt. Wolf Martin polarisierte - von unseren Lesern gab es viel Lob, aber auch Kritik. Erst Ende März hatte sich Martin mit seinem letzten Gedicht von den "Krone"-Lesern verabschiedet.

Wie oft hat mich jemand gefragt: Und, wie ist er so? Was für ein Mensch, was für ein Kollege? Ich wusste es nicht, ich weiß es nicht. Nie bin ich Wolf Martin persönlich begegnet. Er ist Einzelgänger, keiner, der unter die Leute geht. 

Abstand halten zu allem und allen. Weihnachtsfeiern, Jubiläen, Redaktionsgeselligkeiten: nichts für Wolf Martin. Verblüffende Lebens- und Leidensgeschichte. Kann sich jemand vorstellen, dass er einst in einem Denk-Takt mit Elfriede Jelinek oder Wolfgang Schüssel war? 1967 war das. Erste literarische Veröffentlichungen...

Kritische Texte überzeugten Hans Dichand
Aufmüpfiger Student, geboren 1948. Widersprüche, die ihn immer wieder neu orientierten: Ausgerechnet seine kritischen Beiträge in der Publikation FORUM waren es, die "Krone"-Herausgeber Hans Dichand auf den Autor Martinek aufmerksam machten. Dichand hat ihn nicht als "Feind mit der Feder" empfunden. Nur als begabten Autor. Das erste Gedicht in der "Krone" erschien am 1. April 1989.

Seither gab es Leser-Lorbeer ohne Ende und Kritik genauso. Falls es jemanden interessiert, ob mir immer alles gefallen hat: nein. So viel Ehrlichkeit schuldet man einem Autor. Und dem Leser. IMMER gefallen hat mir der Titel. "IN DEN WIND GEREIMT". Der Titel erzählt von der Vergänglichkeit. Der Wind, der Worte davonträgt - und Schmerzen und Gutes und ALLES. Der Titel erzählt auch, dass man nichts und niemand zu ernst nehmen sollte. Menschen neigen dazu, sich furchtbar ernst zu nehmen. Im Guten, im Bösen und in der Eitelkeit...

Leidensgeschichten trug er mit sehr viel Kraft
Alles hat seine Zeit. Ohne Wolf Martin jemals persönlich begegnet zu sein: Ich bin ganz sicher, dass er sich keine Schleimspur in den Abschiedsworten wünschte. Und dass sein Adieu an die Leser von der Leichtigkeit des Windes getragen war. Die Leidensgeschichten seines Lebens waren so, dass sich niemand ein Urteil anmaßen sollte. DIE gehörten nur ihm. Und die trug er mit sehr viel Kraft.

Worte trägt der Wind davon - aber die Bilder? Wolf Martin war auch ein Maler. Seine Werke sind in Sammlungen verankert. Bilder, die noch einmal ein anderes Licht abwerfen als die Gedichte. Bilder, die bleiben, als Kunst eines Menschen, der die Widersprüche des Lebens ziemlich mutig lebte.

Zum letzten Mal "In den Wind gereimt"
Ziemlich krank ist der Poet.
Ob's mal wieder aufwärts geht?
Wie auch immer – reichlich sind
23 Jahre "Wind"
(und dies heute grad – schau, schau! –
auf den Tag exakt, genau)
wohl genug für die Gedichte
in der "Krone" Weltberichte.
Mutig, wer zu schreiben trachtet,
bis ihn die Demenz umnachtet
und der Leser meint, er narrt ihn.
Schluss beizeiten macht

Wolf Martin

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