„Krone“-Interview

„Club Zero“ im Kino: Hungern bis zum Paradies

Unterhaltung
17.11.2023 06:00

Die preisgekrönte österreichische Regisseurin Jessica Hausner zeigt im Film „Club Zero“ die Geschichte von Jugendlichen, die von ihrer Lehrerin dazu manipuliert werden, nichts mehr zu essen. Mit der „Krone“ sprach sie darüber, was sie an dieser Idee so interessiert. Der Film läuft ab sofort im Kino.

„Krone“: Wie ist Ihnen die ungewöhnliche Idee zu „Club Zero“ gekommen?

Jessica Hausner: Mich interessiert das Thema der Manipulation und Verführbarkeit. Alle Menschen sind verführbar und werden verführt. Und im Film sieht man, wie diese Lehrerin die Kinder Schritt für Schritt von einer Idee überzeugt, die man aus der Distanz betrachtet als absurd bezeichnen würde. Das schafft sie, indem sie ein Bedürfnis in den Jugendlichen abdeckt. Und irgendwann ist es zu spät und sie können nicht mehr vom Gegenteil überzeugt werden. Die Inspiration dazu kam auch dadurch, dass es heutzutage immer mehr radikale Gruppen gibt. Ich wollte mich einfach fragen: Wie kommt das?

Dachten Sie dabei auch an Corona und die Verschwörungstheorien zu der Zeit?

Ich habe zwar schon 2018 angefangen, die Geschichte zu schreiben, aber während der Pandemie habe ich wirklich gedacht: Wow, das ist wie in meinem Film. Es wird aber absichtlich zeitlos gehalten, weil es eine universelle Geschichte sein soll.

Wie haben Sie es geschafft, sich in die Seelen der Teenager hineinzuversetzen?

Ich habe viele Interviews mit Jugendlichen gemacht. Aus englischen, deutschen oder österreichischen Schulen. Dann habe ich auch noch ein, zwei Tage in einem Internat verbracht. Das war wichtig, um zu verstehen, was die Jugendlichen heute für Gedanken und Sorgen haben. Klimaerwärmung steht dabei an erster Stelle, da gibt es teilweise Überlebensängste. Das hat mich sehr berührt und das floss auch in den Film ein.

Wie war die Zusammenarbeit mit den jungen Schauspielern?

Sehr schön. Fast alle Jugendlichen sind Laiendarsteller und wurden mittels Casting gefunden. Es hat ihnen viel Spaß gemacht und sie waren eine Inspiration für die Hauptdarstellerin, weil sie so ein lässiges Understatement hatten und damit sehr natürlich wirkten.

Wie wichtig ist Ihnen der Kontrast zwischen ruhigen Bildern und verstörendem Innenleben?

Das ist mein Stil, wie ich diese Spannung darstelle zwischen den Gefühlen, die wir alle haben und dem, wie wir uns nach außen verhalten. Denn wir spielen doch alle sehr oft eine Rolle und zeigen unsere wahren Emotionen selten.

Jessica Hausner (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
Jessica Hausner

Was fasziniert Sie an Ritualen, die eine große Rolle im Film spielen? Die Jugendlichen in der Geschichte lechzen danach, von der Lehrerin Muster und Rituale zu bekommen.

Mich fasziniert dabei der Religionsaspekt, wie auch schon bei meinem Film „Lourdes“ über die Pilgerstätte. Als ich „Lourdes“ gemacht habe, lernte ich viel über diese  genauen Rituale, die es da gibt. Damals habe ich verstanden, dass das Ritual der Gruppe die eigentliche Überzeugungskraft einer Religion ist. Und in „Club Zero“ wird das Fasten zum Heilsversprechen.

Warum ist Mia Wasikowska die Idealbesetzung der Ms. Novak?

Sie ist eine sehr eigenwillige Person. Sie wirkt oft sehr zahm und höflich und mädchenhaft. Gleichzeitig verbirgt sie irgendwas, man hat das Gefühl, sie könnte auch gleich ein Messer zücken, eine unterschwellige Bedrohung, die mich gereizt hat. In meinen Filmen wird die Hauptperson selten durchdekliniert, daher bin ich angewiesen auf Schauspieler, die von sich aus eine Sogwirkung haben. Die man sehr gerne verstehen möchte, auch wenn man sie nicht verstehen wird.

Warum war es Ihnen wichtig, auch eine Prise Humor in diesen ernsten Film hineinzubringen?

Ich suche immer zu Beginn nach dem passenden Tonfall für einen Film. Oft ist das bei mir schwarzer Humor. Das hängt damit zusammen, dass ich aus einer gewissen Distanz heraus erzähle und zeige, dass wir als Menschen auch oft ein bisschen lächerlich sind. Das ist die Perspektive, die ich suche.

Wie schwierig ist es für Sie, in der heutigen Kinowelt zwischen „Barbie“ und Mission: Impossible“ mit so einem Film noch die Menschen zu erreichen?

Gute Frage. Meine letzten zwei Filme haben sich sehr gut verkauft und auch „Club Zero“ läuft in 40 Ländern der Welt im Kino. Das gibt mir Hoffnung. Ich denke doch, dass ein gewisses Publikum für Arthouse-Filme schon noch da ist. Und Kino ist momentan eben auch die Garantie dafür, dass auch unkonventionelle Filme gemacht werden.

Was wird Ihr nächstes Projekt?

Ich sammle derzeit Ideen zu einem Film über die Arbeitswelt, weil ich grade sehr spannend finde, wie viele Lohnverhandlungen derzeit ablaufen. Es wird um einen Betrieb gehen, in dem versucht wird, gewisse Änderungen durchzusetzen. Er wird „Toxic“ heißen.

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