Gezielte Onlinewerbung

EU nahm Skeptiker der Chatkontrolle ins Visier

Web
16.11.2023 15:10

Die EU-Kommission steht in der Kritik, weil sie über X (früher Twitter) für eine umstrittene Verordnung gegen Kindesmissbrauch geworben und dabei bestimmte Zielgruppen anvisiert haben soll. Die Werbung sollte unter anderem Sorgen wegen der sogenannten „Chatkontrolle“ beschwichtigen. Die Datenschutzorganisation noyb, mitgegründet vom Österreicher Max Schrems, hat daher Beschwerde beim EU-Datenschutzbeauftragen EDPS eingelegt, wie noyb am Donnerstag mitteilte.

Die Behörde hat die Kommission auch bereits um Informationen ersucht und analysiere aktuell deren Antwort, heißt es in einer Stellungnahme des EDPS. Die Behörde bestätigt den Eingang der noyb-Beschwerde. Inhaltlich könne man aber zum jetzigen Zeitpunkt noch keinen Kommentar abgeben.

Kampagne zielte auf Skeptiker ab
Aufgedeckt hatte das Ganze ein niederländischer Datenexperte. Demnach sei die Kommissionskampagne gezielt Nutzerinnen und Nutzern in Ländern angezeigt worden, deren Regierungen dem Vorschlag der Brüsseler Behörde kritisch gegenüberstehen.

Darüber hinaus sei sogenanntes „Microtargeting“ angewandt worden: Nutzern, die sich beispielsweise für „Julian Assange“ oder euroskeptische Parteien interessierten, sollte die Werbung nicht angezeigt werden. Den Nutzern wurde in der Werbung unter anderem eine Umfrage präsentiert, nach der 84 Prozent der Niederländer für eine „Chatkontrolle“ seien, wenn damit gegen Kindesmissbrauch vorgegangen werde.

Die Kommission habe damit gegen die europäischen Datenschutzregeln verstoßen, heißt es in einer Aussendung von noyb. „Die EU-Kommission hat keine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung sensibler Daten für gezielte Werbung auf X. Niemand steht über dem Gesetz und die EU-Kommission ist keine Ausnahme“, sagt noyb-Jurist Felix Mikolasch.

„Normale Praxis“ für EU-Kommissarin
Die EU-Kommissarin für Inneres, Ylva Johansson, die die Kampagne verantwortet, verteidigte das Vorgehen in einem Post auf X. Ihre Behörde habe die „Richtlinien und das Gesetz zu 100 Prozent“ befolgt. Das Bewerben von eigenen Gesetzesvorhaben sei „normale Praxis“.

Der Kommissionsvorschlag zur geplanten Verordnung nimmt Online-Dienstleister in die Pflicht, gegen kinderpornografisches Material vorzugehen. Kritiker warnten aber, dass es dadurch zu einer „Chatkontrolle“ kommen würde - also, dass Dienste wie Whatsapp oder Signal gezwungen würden, private Unterhaltungen zu durchforsten und Verschlüsselung aufzuweichen. Das EU-Parlament hatte Dienste mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zuletzt wieder ausgenommen. Die EU-Staaten konnten sich bisher noch nicht auf eine gemeinsame Position einigen.

Die FPÖ kritisierte die EU-Kommission für ihr Vorgehen und wirft ihr „Doppelbödigkeit“ vor. „Einerseits will sie mit dem Digital Service Act das sogenannte Microtargeting einschränken, andererseits zeigt sich, dass sie bei ihrer Werbung genau diese Praxis selbst nutzt“, sagt FPÖ-EU-Mandatar Harald Vilimsky in einer Aussendung.

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