Mit Beginn der kalten Jahreszeit steigt auch wieder das Risiko für Verkühlungen oder Atemwegserkrankungen. Männer scheinen dabei stärker zu leiden. Ist es nur übertriebenes Jammern oder gibt es tatsächlich einen Unterschied zwischen den Geschlechtern?
Wenn es um eine Erkältung oder Grippe geht, wirkt das „starke“ Geschlecht auf einmal sehr schwach. Der berüchtigte „Männerschnupfen“ lässt so manchen Kerl zum Weichei mutieren. Frauen, die schon beim Gedanken an solch eine Situation genervt die Augen verdrehen und ihren Schatz als „wehleidig“ bezeichnen, tun diesem mitunter ein wenig Unrecht.
„Unzerstörbare Helden“ gibt es nicht
Auch das andere Extrem lässt die Partnerin verzweifeln. Nämlich dann, wenn sich der Liebste zwar schlapp fühlt, aber sich trotz rinnender Nase, schmerzendem Hals, Husten sowie Heiserkeit dennoch nicht schonen oder beruflich wie sportlich keinen Gang zurückschalten möchte. Denn „unzerstörbare Helden“ gibt es nicht, und aus einem grippalen Infekt, und vor allem einer echten Influenza, kann sich eine Superinfektion entwickeln.
Dann muss das Immunsystem an mehreren Fronten gegen verschiedene Erreger gleichzeitig ankämpfen. Die Folgen sind mitunter Entzündungen der Lunge oder des Herzmuskels. In schweren Fällen führt dies zu einer Schädigung des Organs, verringert die Leistungsfähigkeit oder stört den Rhythmus der „Lebenspumpe“. Vor allem junge, sportliche Männer sind hier besonders gefährdet.
Gene und Hormone bestimmen die Abwehr
Aber zurück zu dem „pflegebedürftigen Häufchen Elend“ auf der Couch: Bei banalen Erkältungssymptomen mag das Jammern zwar etwas übertrieben scheinen, denn „sein“ Schnupfen ist nicht gefährlicher als „ihre“ Verkühlung. Trotzdem gibt es Abweichungen zwischen den Geschlechtern.
Männer sind biologisch gesehen tatsächlich anfälliger für Viren als Frauen. Sowohl die Genetik als auch die Hormone wirken sich bei den Geschlechtern unterschiedlich auf die Abwehrkräfte aus. „Frauen haben ein besseres Immunsystem als Männer. Das liegt einerseits an den zwei X-Chromosomen, die wichtige Aufgaben für die Immunabwehr erfüllen, andererseits auch an den Hormonen, vor allem dem Geschlechtshormon Östrogen.
Frauen haben ein besseres Immunsystem als Männer. Das liegt einerseits an den zwei X-Chromosomen, die wichtige Aufgaben für die Immunabwehr erfüllen, andererseits auch an den Hormonen, vor allem dem Geschlechtshormon Östrogen.
Univ. Prof. Dr. Günter Weiss, Infektiologe und Immunologe
Durch diese Faktoren reagiert die Körperabwehr der Frauen schneller und intensiver als jene der Männer“, wie Univ. Prof. Dr. Günter Weiss, Infektiologe und Immunologe, MedUni Innsbruck, erklärt. Das männliche Geschlechtshormon Testosteron hingegen scheint Studien zufolge das Immunsystem zu schwächen. Daher bekämpfen die weiblichen Abwehrkräfte eindringende Viren rascher und effektiver als jene der Männer.
Erkältungen treffen das „starke“ Geschlecht daher häufiger und verlaufen in Folge oft schwerer. Auch die Leidensfähigkeit bzw. das Empfinden von Schmerzen wird durch Hormone, vor allem die Geschlechtshormone, beeinflusst. Studien zufolge sollen weibliche Hormone ein Steigen und männliche ein Sinken des Schmerzempfindens bewirken.
Das könnte erklären, warum Männer stärker unter einem kratzenden Hals oder der durch Schneuzen wunden Nase leiden.
Abwehrkräfte werden mit dem Alter schwächer
Dass unsere Abwehrkräfte mit zunehmendem Alter schwächer werden, ist bekannt. Laut japanischen Forschern altert jedoch das Immunsystem der Männer schneller als jenes der Frauen. Tests zeigten, dass sich spezielle, für eine effiziente Abwehr wichtige Zellen bei den männlichen Probanden rascher verringerten als bei den weiblichen Studienteilnehmerinnen.
Wenn das körpereigene Schutzsystem nicht in der Lage ist, krankmachende Keime abzuwehren, hilft ihm in vielen Fällen eine Impfung auf die Sprünge. Doch hinsichtlich deren Wirkung lassen sich Abweichungenzwischen den Geschlechtern feststellen.
Forscher der Stanford University (USA) fanden nach einer Grippeimpfung im Blut von Frauen mehr Antikörper gegen die Influenzaviren als bei Männern, wodurch vermutlich die Immunität bei „ihr“ besser ist und länger anhält. Als Schattenseite davon führen Experten an, dass Frauen aufgrund der heftigen Immunantwort häufiger unter unerwünschten Impfreaktionen leiden.
Schwerere Verläufe bei Covid-19
Die Unterschiede der Arbeitsweise des Immunsystems hat auch die Corona-Pandemie deutlich gemacht. Prof. Weiss: „Es zeigte sich anhand weltweiter Zahlen, dass zwar Männer und Frauen gleich häufig an Covid-19 erkrankten, das Verhältnis für einen schweren Verlauf oder Tod fiel jedoch mit 60:40 zum Nachteil der Männer aus. Das könnte an dem besseren Immunsystem der Frauen liegen, aber zusätzlich eventuell auch daran, dass sie oft gesünder leben.“
Es zeigte sich anhand weltweiter Zahlen, dass zwar Männer und Frauen gleich häufig an Covid-19 erkrankten, das Verhältnis für einen schweren Verlauf oder Tod fiel jedoch mit 60:40 zum Nachteil der Männer aus.
Univ. Prof. Dr. Günter Weiss, Infektiologe und Immunologe
Lebensstil hat entscheidenden Einfluss
Ganz auf die Natur können sich die Herren also nicht ausreden und sollten ihr Schicksal zum Teil selbst in die Hand nehmen. Auch wer nicht von Natur aus mit einem starken Immunsystem ausgestattet ist, muss keinesfalls hilflos der nächsten Attacke durch Viren, Bakterien und Co. gegenüberstehen. Genetische Faktoren bilden eine Grundlage, die sich durch den Lebensstil verbessern oder verschlechtern lässt.
Nach wie vor leben jedoch Männer risikoreicher, neigen eher dazu, sich ungesund zu ernähren, mehr Alkohol zu trinken, zu rauchen und sich wenig zu bewegen. Ebenso werden Vorsorgeuntersuchungen oder medizinische Hilfe seltener bzw. später in Anspruch genommen und Gesundheitsratschläge ignoriert.
Dabei wirken sich unbehandelte Vorerkrankungen negativ auf die Abwehrkräfte aus.„Bei einem schlecht eingestellten Diabetes mellitus arbeiten die weißen Blutkörperchen nicht optimal, das beeinträchtigt das Immunsystem ebenso wie eine angeborene Immunschwäche“, so Prof. Weiss. Auch das Gewicht einer Person beeinflusst die Fähigkeiten der Körperabwehr.
Sehr dicke Menschen mit Body-Mass-Index über 30, aber auch sehr dünne mit BMI unter 17 zeigen eine schlechtere Immunreaktion.
Univ. Prof. Dr. Günter Weiss, Infektiologe und Immunologe
„Sehr dicke Menschen mit Body-Mass-Index über 30, aber auch sehr dünne mit BMI unter 17 zeigen eine schlechtere Immunreaktion. Während im zweiten Fall wenig Substanz vorhanden ist, um Krankheitserreger zu bekämpfen, entstehen durch starkes Übergewicht Entzündungsprozesse, die das Immunsystem abstumpfen lassen. Es ist dann nicht mehr so ,hellhörig‘, wenn Erreger im Anmarsch sind.“
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