Müllberge reduzieren
EU-Gezerre um Zuckersackerln und Box für Camembert
Die Union will die gigantischen Müllberge reduzieren. Doch die neuen Verpackungsregeln lassen die Wogen hochgehen.
Jede Einwohnerin und jeder Einwohner der EU verursachte im Jahr 2001 189 Kilogramm Verpackungsabfälle. Tendenz stark steigend – innerhalb von zehn Jahren ist der Müllberg um 20 Prozent gewachsen. Die EU will nun die Notbremse ziehen und in vielen Bereichen eingreifen. Ab dem Jahr 2030 sollen sämtliche Verpackungen entweder wiederverwendbar sein oder recycelt werden.
Am Mittwoch stimmt das EU-Parlament über die geplanten neuen Regeln ab. Und diese sind durchaus weitreichend. So sollen etwa die kleinen Zuckersackerln im Kaffeehaus verboten werden, Gleiches gilt für die Päckchen mit Salz, Pfeffer, Ketchup oder Senf. Die Flaschen für Shampoo, Duschgel und andere Kosmetikartikel in Hotels sollen ebenfalls verschwinden.
Doch je näher die Abstimmung rückt, desto emotionaler wird die Debatte. Und desto mehr Widerstand formiert sich. Viele Länder haben ihre ganz eigenen Befindlichkeiten und ihre ganz eigenen Vorbehalte gegen die Pläne aus Brüssel. Spanien etwa wehrt sich gegen das geplante Aus für Folienverpackungen für Gemüse. Das Land zählt zu den größten Gemüseexporteuren – Gurken, Brokkoli und Co. werden in Folien gewickelt, um die Ware länger haltbar zu machen.
Schokohase soll Glöckchen verlieren
Ganz andere Bedenken hat Frankreich: Dort ist beinahe die Revolution ausgebrochen, weil die Holzkiste, in der Camembert traditionell verkauft wird, den neuen Verpackungsregeln zum Opfer fallen soll. Denn noch gibt es für die Holzschachtel kein etabliertes Recycling-Verfahren. Und schließlich wehrt sich auch noch Deutschland: Der Schokoladen-Osterhase von Lindt soll, laut Verordnung, sein Glöckchen verlieren. Denn dies würde künftig zu viel Verpackung bedeuten.
Der Widerstand ist aber nicht nur Länder-, sondern auch Parteisache: Die Europäische Volkspartei will das Verbot der Zuckersackerln verhindern. „Wir haben im Moment wirklich andere Sorgen“, sagt der deutsche EU-Abgeordnete Peter Liese (CDU), umweltpolitischer Sprecher der Fraktion. Und um zu zeigen, dass die kleinen Sackerln auch im EU-Parlament genutzt werden, präsentiert er einige Päckchen, die er aus der Kantine geholt hat.
Im Europäischen Hohen Haus gehen die Wogen hoch, die Verpackungsindustrie lobbyiert mit voller Kraft. Die Abstimmung am Mittwoch dürfte zu einem harten Kampf werden.
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