Tatsächlich Präsident

Javier Milei: „Kettensägen-Elvis“ mit Anarcho-Plan

Ausland
20.11.2023 11:52

„Niemand mit so extremen Ansichten ist in Südamerika je zum Präsidenten gewählt worden“, sagt US-Ökonom Mark Weisbrot über den argentinischen Wahlsieger Javier Milei. Äußerlich ein Unikum mit Anleihen an Elvis Presley in der Spätphase, inhaltlich ein selbst ernannter „Anarchokapitalist“ mit radikalem Plan - seinem Land dürfte der 53-Jährige wilde Zeiten bescheren.

Mit 55,7 Prozent lag der libertäre Kandidat der Partei La Libertad Avanza (Die Freiheit schreitet voran) in der Stichwahl deutlich vor Wirtschaftsminister Sergio Massa von der linken Union por la Patria (Union für das Vaterland). „Heute beginnt der Wiederaufbau von Argentinien. Das ist ein historischer Abend“, sagte Milei nach der Bekanntgabe des Ergebnisses Sonntagnacht. Seinen Sieg feierte er überschwänglich, wie Videos in sozialen Medien zeigen:

Regierungskandidat Massa räumte seine Niederlage ein. „Javier Milei ist Präsident. Ich habe ihm gratuliert, denn die Mehrheit der Argentinier hat ihn gewählt“, sagte er. „Ab morgen liegt es in seiner Verantwortung, Sicherheit und Garantien zu bieten, und wir hoffen, dass er dies tun wird.“ Angesichts von Mileis extravaganter Persönlichkeit sind Zweifel daran angebracht.

Kahlschlag per Kettensäge
Im Wahlkampf wetterte er gegen die etablierte Politik, kündigte an, die Zentralbank in die Luft zu sprengen, und schwenkte eine laufende Kettensäge - als Symbol für den sozialpolitischen Kahlschlag, den er nun durchziehen will.

Milei schwingt seine Kettensäge. (Bild: APA/AFP/AG La Plata/Marcos GOMEZ)
Milei schwingt seine Kettensäge.

138 Prozent Inflation
Es sind die Wut und die Enttäuschung vieler Argentinier, die den Außenseiter in die erste Reihe der Politik gespült haben. Die Inflation liegt bei 138 Prozent, rund 40 Prozent der Menschen in dem einst reichen Land leben unter der Armutsgrenze. Argentinien leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft. Die Landeswährung Peso verliert stetig an Wert, der Schuldenberg wächst.

„Gebt mir 20 Jahre ...“
Der Wirtschaftswissenschaftler Milei verspricht einfache Lösungen für die komplexen Probleme. Er will die meisten Ministerien abschaffen, den US-Dollar als offizielles Zahlungsmittel einführen, die Sozialprogramme radikal zusammenstreichen und Staatsbetriebe privatisieren. „Gebt mir 20 Jahre und wir können wie Deutschland dastehen. Gebt mir 35 Jahre und es geht uns wie den USA“, versprach er in einer TV-Debatte.

Elvis-Wiedergänger Milei mit Freundin Fatima Florez: ein „Teddybear“ ... (Bild: APA/AFP/EMILIANO LASALVIA)
Elvis-Wiedergänger Milei mit Freundin Fatima Florez: ein „Teddybear“ ...
... oder ein „Devil in Disguise“? (Bild: ASSOCIATED PRESS)
... oder ein „Devil in Disguise“?

Mileis Welt: Für Waffen, gegen Abtreibung und „kommunistischen“ Papst
Das Enfant terrible der argentinischen Politik will außerdem den Waffenbesitz liberalisieren, ist gegen das Recht auf Abtreibung, glaubt nicht an den menschengemachten Klimawandel und schimpft den argentinischen Papst Franziskus einen Kommunisten. Zwar bedient er sich wie der ehemalige US-Präsident Donald Trump und der frühere brasilianische Staatschef Jair Bolsonaro einer Anti-System-Rhetorik, allerdings verzichtet er im Gegensatz zu seinen Vorbildern auf rechtsradikale Ausfälle.

Zeitenwende: Linke Peronisten entmachtet
Der Triumph des marktliberalen Milei ist eine Zeitenwende für Argentinien, wo die linken Peronisten seit mehr als 20 Jahren den Ton angeben, der Staat massiv in die Wirtschaft eingreift, öffentliche Dienstleistungen stark subventioniert werden und in vielen Provinzen mehr Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor beschäftigt sind als in der Privatwirtschaft.

„Jetzt wird sich zeigen, wie verrückt er wirklich ist“
Entscheidend wird nun die Teamfähigkeit des Einzelgängers sein. Im Parlament hat er keine Mehrheit, zudem fehlt ihm qualifiziertes Personal, um Schlüsselpositionen zu besetzen. „Wie viele politische Außenseiter hat Milei wenig für die Politik des Gebens und Nehmens und den Pluralismus in der Demokratie übrig“, schreibt Christopher Sabatini vom Forschungsinstitut Chatham House. Und Susanne Käss vom Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Argentinien meint: „Jetzt wird sich zeigen, wie verrückt er wirklich ist.“

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