Datenschützer haben am Montag die in den vergangenen Monaten immer wieder geäußerte Forderung nach einem Bundestrojaner kritisiert, der es ermittelnden Behörden ermöglichen würde, Gespräche und Nachrichten über Messenger-Dienste wie Signal oder Telegram zu überwachen. Durch einen Bundestrojaner würden bewusst Sicherheitslücken offen gehalten werden, die neben dem Verfassungsschutz auch Menschen mit kriminellen Absichten Zugriff auf sensible Daten ermöglichen würden.
Einen Bundestrojaner wollte bereits die türkis-blaue Regierung einführen, dieser Teil des sogenannten „Sicherheitspakets“ wurde aber 2019 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Lautester Verfechter in der vor einigen Monaten erneut aufgeflammten Debatte um das staatliche Hacken ist Omar Haijawi-Pirchner, Direktor der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN). Erst am Freitag erneuerte er die Forderung in der „ZiB 2“.
Momentan sei Gefahr besonders im Bereich des rechtsextremen und islamistischen Extremismus gegeben. Sowohl in den Ermittlungen zu den drei jungen Männern, die im Verdacht stehen, einen islamistischen Terrorakt auf die Wiener „Pride-Parade“ geplant zu haben, als auch rund um jenen Mann, der im September in letzter Sekunde von einem Anschlag am Wiener Hauptbahnhof abgesehen hatte, sei die Behörde auf Tipps aus dem Ausland angewiesen, wo Geheimdienste über mehr Befugnisse verfügen.
Offene Hintertür für Kriminelle
Durch einen Bundestrojaner halte man jedoch die Hintertür für Kriminelle weit offen, kritisierte Thomas Lohninger, Geschäftsführer der Datenschutzorganisation epicenter.works. Denn um Verfassungsschützern den „Remote-Zugriff“ auf Smartphones zu ermöglichen, sei eine ganze Reihe an Sicherheitslücken notwendig. „Die DSN hat schon jetzt unheimlich viele Maßnahmen. Wenn sie sich anders als das BVT (Vorgängerbehörde, Anm.) professionell aufstellen will, sollte sie sachlich evaluieren anstatt immer emotional und anlassbezogen eine Ausweitung ihrer Möglichkeiten zu fordern“, kritisierte er die Behörde.
„Bei Android sitzen mehrere hundert Mitarbeiter, die sich damit beschäftigen, solche Sicherheitslücken ausfindig zu machen. Ich nehme an, bei der DSN sind es deutlich weniger. Die einzige Chance für die österreichischen Behörden ist es, Fehler zuzukaufen, die andere finden“, gab René Mayrhofer, Leiter des Instituts für Netzwerke und Sicherheit der JKU zu bedenken.
Hoher Preis
Der Preis, den man für solche Fehler zahle, sei hoch. Softwarehersteller würden Preise für das Ausfindigmachen von Fehlern im System ausschreiben, nicht selten in der Höhe von einer Million US-Dollar pro gefundenem Fehler. Viel höher sei der Preis am „Grau- bis Schwarzmarkt. Nicht nur die österreichische Exekutive will so etwas kaufen, das ist derselbe Markt für die organisierte Kriminalität“, so Mayrhofer.
Diese Fehler gelten jedoch nur für gewisse Versionen und Betriebssysteme. Wenn man die Erfolgsquote hoch halten möchte, sei ein „Riesenbudget“ notwendig, um eine Kette an Sicherheitslücken zu kaufen. „Wenn der Staat Geld investiert, soll er das dahin investieren, dass diese Lücken geschlossen und nicht offen gelassen werden.“
„Sammelsurium“ an Möglichkeiten
Bereits jetzt hätten die Behörden ein „ganzes Sammelsurium“ an Möglichkeiten, betonte auch der Strafverteidiger Bernd Wiesinger. Jenes Gesetz, das der VfGH aufgehoben hat, habe die Aufklärung von bereits begangenen Straftaten betroffen. Noch viel strenger sei das Sicherheitsgesetz die Überwachung betreffend dann, wenn noch gar keine Straftaten begangen wurden.
Nicht gelten lassen wollte er das Argument, dass der Bundestrojaner, einmal durchgesetzt, nur bei Straftaten mit einem Strafmaß von über sechs Monaten zum Einsatz kommen solle. „Das ist jede Kneipenschlägerei und sicher Fälle ohne schwerwiegendem öffentlichen Interesse.“ Auch in diesen Fällen würde der Trojaner zum Einsatz kommen, ist Wiesinger überzeugt. „Je mehr ich ihnen (den Ermittlungsbehörden, Anm.) zur Verfügung stelle, desto mehr müssen sie ihn verwenden, auch im unteren Bereich, schon allein um keinen Amtsmissbrauch vorgeworfen zu bekommen.“
Daniela Kraus, Generalsekretärin des Presseclub Concordia sieht in dem Bundestrojaner außerdem eine Gefahr für die Pressefreiheit. „Es besteht die Gefahr, dass Journalisten und Journalistinnen - stellvertretend für alle Berufsgruppen die Geheimnisträger und Geheimnisträgerinnen sind - ausspioniert werden.“
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