Deutschlands gefallener Radstar Jan Ullrich hat erstmals über jahrelanges Doping im Team Telekom gesprochen. Den Griff zu verbotenen Substanzen begründete der 49-Jährige mit fehlender Chancengleichheit. „Ohne nachzuhelfen, so war damals die weitverbreitete Wahrnehmung, wäre das so, als würdest du nur mit einem Messer bewaffnet zu einer Schießerei gehen“, sagte Ullrich dem Wochenmagazin „Stern“.
Mit der Argumentation der Chancengleichheit wollte er 2006, als er wegen Verbindungen zum spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes suspendiert worden war, nicht an die Öffentlichkeit gehen. „Ich wollte kein Verräter sein. Ich wollte auch nicht mit Halbwahrheiten raus und schon gar nicht mit der ganzen Wahrheit“, sagte Ullrich und begründete es mit juristischen Zwängen. „Da hingen Existenzen dran, Familien, Freunde. Die Anwälte haben mir gesagt: Entweder du gehst raus und reißt alles ein, oder du sagst gar nichts.“
Andere Telekom-Fahrer wie Udo Bölts, Rolf Aldag, Erik Zabel und Bjarne Riis räumten 2007 Doping öffentlich ein. Ullrich schloss sich dem nicht an. „Gegen mich lief damals noch ein Strafverfahren. Meine Anwälte haben mir empfohlen zu schweigen. Ein Rat, den ich befolgt habe, an dessen Folgen ich aber lange gelitten habe“, sagte der Sydney-Olympiasieger.
Noch kein explizites Geständnis
Für den Satz „Ich habe gedopt“ habe ihm in der Vergangenheit die Kraft gefehlt. Er kommt dem Sieger der Tour de France 1997 auch in dem „Stern“-Interview nicht über die Lippen. Ullrich redet über Doping ohne explizites Geständnis. Dieses könnte allerdings in der Amazon-Dokumentation „Jan Ullrich - Der Gejagte“ folgen, die am 28. November erscheint.
Mittlerweile bereut Ullrich, sich nicht früher ausführlich über Doping geäußert zu haben. „Aus heutiger Sicht hätte ich reden sollen. Es wäre für einen kurzen Moment sehr hart geworden, aber danach wäre das Leben leichter gewesen“, sagte er. 2012 wurde Ullrich vom Internationalen Sportgerichtshof CAS für zwei Jahre gesperrt, diverse Erfolge zwischen 2005 und 2006 wurden ihm aberkannt. Zwischen 2010 und 2020 sorgte Ullrich privat für viele Negativ-Schlagzeilen. Zeitweise trank er bis zu zwei Flaschen Whisky pro Tag, konsumierte Kokain. „Es war ein einziges Betäuben“, so Ullrich. Mittlerweile fand er aber den Weg zurück in einen geregelten Alltag. „Ich bin wieder hungrig aufs Leben.“
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.