Wenige Wochen nach dem Tod von Christian Pilnacek ist am Dienstag eine heimliche Tonbandaufnahme aufgetaucht, in der der zuletzt suspendierte Justiz-Sektionschef Vorwürfe gegen die ÖVP erhebt. Die „Krone“ hat diese Aufnahmen geprüft - der Produzent würde auch vor Gericht aussagen.
Pilnaceks Aussagen sind authentisch und forensisch geprüft. Sie lassen einen fassungslos zurück. Es geht um mutmaßliche Versuche der Einflussnahme auf Verfahren durch Wichtige der ÖVP.
„Das geht nicht. Man lebt in einem Rechtsstaat“
„Das wirkliche Problem ist, dass man Dinge verlangt, die nicht möglich wären. Man verlangt, dass ich Ermittlungen einstelle. Das kann ich nicht, mach’ ich nicht“, sagt Pilnacek. Schwere Vorwürfe an die ÖVP, die dies vehement bestreitet.
Die ÖVP hat mir das zum Vorwurf gemacht und gesagt: „Du lässt deine Staatsanwälte gegen uns arbeiten.“ Die müssen froh sein, wenn ich nicht Dinge sage
Christian Pilnacek
Bild: APA/picturedesk.com/Helmut Fohringer
„Das kann ich nicht, mach’ ich nicht“, sagt Pilnacek. Selbst als eine Hausdurchsuchung bei der ÖVP stattgefunden hat, habe man ihn gefragt: „Warum drehst du das nicht ab?“ Er nennt Minister, namentlich u. a. Wolfgang Sobotka, früher Innenminister, heute Nationalratspräsident. „In jedem Gespräch sagt Sobotka: ,Du hast selber versagt, du hast es nie abgedreht.‘ Das geht nicht. Man lebt in einem Rechtsstaat.“ Er, Pilnacek, habe kein einziges Verfahren beeinflusst. „Die ÖVP hat mir das zum Vorwurf gemacht und gesagt: ,Du lässt deine Staatsanwälte gegen uns arbeiten.‘ Die müssen froh sein, wenn ich nicht Dinge sage“.
Ich kann mich nicht exponieren und irgendwelche Ermittlungen einstellen, die gerechtfertigt sind. Das geht einfach nicht.
Christian Pilnacek
Bild: APA/picturedesk.com/Helmut Fohringer
Tatsächlich gibt Pilnacek vor, viel über politische Verwicklungen mit der Justiz zu wissen. Die ÖVP habe das immer falsch eingeschätzt, was Möglichkeiten zur Beeinflussung oder Verhindern von Verfahren betreffe. „Ich kann mich nicht exponieren und irgendwelche Ermittlungen einstellen, die gerechtfertigt sind. Das geht einfach nicht“, sagt er zu den Anwesenden.
„Der Kloibmüller (ehemaliger Kabinettschef der früheren Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, Anm.) sagt immer, wenn der Pilnacek auspackt, haben wir ein Problem.“ Auf Anfrage sagt Kloibmüller gegenüber der „Krone“: „Ich werde schon alleine aus Gründen der Pietät zu einer rechtswidrigen Tonbandaufnahme eines verstorbenen und überdies von mir sehr geschätzten Menschen keine Stellungnahme abgeben.“
„Habe erklärt, ich kann nichts tun. Ist alles rechtswidrig.“
PIlnacek bringt auch eine weitere Episode. Beim Telekomverfahren musste sich demnach Ex-Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) im Parteivorstand rechtfertigen, erinnert sich der Topjurist. Sie sei unter Druck gesetzt worden, Ermittlungen gegen die ÖVP einzustellen. „Davor ist sie eine Stunde bei mir gesessen, und ich habe erklärt, ich kann nichts tun. Ist alles rechtswidrig“, so Pilnacek. Sie sei angegriffen worden vom Vorstand und habe ihre Ämter verloren. Auch Karl sagte in einer Reaktion auf Pilnaceks Behauptungen in dem Tonmitschnitt: „Ich kommentiere illegal aufgenommene Aussagen eines Verstorbenen nicht.“
Die Augen geöffnet hat mir, als ich sagte, tut ihr auch was für meine Unterstützung? Dann kam als Antwort: „Du warst ja nie bei uns.“
Christian Pilnacek
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Pilnacek sagte Ende Juli, er lehne die ÖVP nur noch ab. „Die Augen geöffnet hat mir, als ich sagte, tut ihr auch was für meine Unterstützung? Dann kam als Antwort: Du warst ja nie bei uns. Das Zweite ist, dass sie gesagt haben, du hast ja nie verhindert, dass eine Hausdurchsuchung bei uns stattfindet.“ Nachsatz: „Die müssen froh sein, wenn ich nicht irgendwelche Dinge sage.“
Hier ergibt sich ein Widerspruch. Warum fragt er, ob die ÖVP auch etwas für ihn tun könne? Das könnte bedeuten, dass er vorher etwas für die Partei getan haben könnte.
Chats als Stolpersteine
Tatsächlich gibt es auch verräterische Chats wie „Wer vorbereitet Gernot (Finanzminister Blümel, Anm.) auf die Vernehmung?“. Auch hat er zwei beschuldigte ÖVP-Granden im Ministerium zur Rechtsberatung empfangen. Letztlich stolperte der frühere Chef einer Supersektion um die „Derschlags-es-Affäre“ (Eurofighter) und um die Ibiza-Affäre.
Bemerkenswert auch: Am Tag vor dem zweiten Verhandlungstag gegen Sebastian Kurz und Co wegen mutmaßlicher falscher Aussage vor dem U-Ausschuss, hat sich der Ex-Kanzler noch von Pilnacek juristischen Rat geholt, wie er vor Gericht berichtete. Das alles deutet doch auf eine gewisse Nähe zur ÖVP hin. Kurz telefonierte nach eigenen Angaben vor Gericht am 19. Oktober. Am 20. wurde der von allen Seiten als großartiger Legist bezeichnete Beamte tot aufgefunden.
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