Der frühere deutsche Radstar Jan Ullrich hat erstmals explizit zugegeben, während seiner Karriere Dopingmittel genommen zu haben. Das Geständnis machte der Tour-de-France-Champion von 1997 nach jahrelangem Schweigen am Mittwoch bei der Vorstellung der Amazon-Dokumentation „Jan Ullrich - Der Gejagte“ in München. „Ich habe gedopt, das ist in der Doku schon klar geworden“, sagte der 49-Jährige und ergänzte: „Ich habe mich schuldig gemacht, ich fühle mich auch schuldig.“
Bis zuletzt hatte Ullrich ein klares Bekenntnis stets abgelehnt. „Ich habe niemanden betrogen“, lautete stets sein Standardsatz auf Fragen zu seiner Vergangenheit. In der Doku will der tief gefallene Ex-Radprofi, der auch privat einige Turbulenzen erlebt hat, damit aufräumen. „Ich kann dazu sagen, aus reinem Herzen, ich wollte wirklich niemanden betrügen. Ich wollte mir keinen Vorsprung verschaffen. Das war damals eine andere Zeit. Damals hat der Radsport schon ein System gehabt, wo ich auch reingekommen bin. Für mich war das damals eine Art Chancengleichheit“, erläuterte Ullrich in einer Podiumsdiskussion.
Viele Weggefährten waren am Mittwoch nach München zur Vorstellung gekommen, darunter auch sein Ex-Teamchef Olaf Ludwig, sein Sportlicher Leiter Rudy Pevenage, Ex-Kollegen wie Ivan Basso, Jens Heppner oder Danilo Hondo und sein Jugendtrainer Peter Sager. Selbst die Mutter seines 2004 gestorbenen Rivalen Marco Pantani, dem sich Ullrich 1998 im Kampf um den Tour-Sieg beugen musste, war anwesend.
Ullrich hatte 1997 als bisher einziger Deutscher die Frankreich-Rundfahrt gewonnen und im Nachbarland einen beispiellosen Radsport-Boom ausgelöst. Als „Boris Becker des Radsports“ wurde er gefeiert, Sponsoren und Veranstalter standen bei ihm Schlange. Neben seinem Gesamtsieg 1997 fuhr Ullrich fünfmal bei der Tour auf den zweiten Platz. Er wurde Weltmeister und Olympiasieger.
„So, als würdest du nur mit einem Messer zu einer Schießerei gehen“
Schon in den vergangenen Tagen hatte Ullrich in Interviews über jahrelanges Doping in seinem Team Telekom gesprochen. „Ohne nachzuhelfen, so war damals die weitverbreitete Wahrnehmung, wäre das so, als würdest du nur mit einem Messer bewaffnet zu einer Schießerei gehen“, sagte Ullrich dem Magazin „Stern“. Im Telekom-Team habe er „ziemlich schnell gelernt, dass Doping weitverbreitet war“.
Ullrich musste 2006 unfreiwillig seine Karriere beenden, nachdem er in der groß angelegten „Operacion Puerto“ als Kunde des spanischen Doping-Arztes Eufemiano Fuentes enttarnt worden war. 2012 wurde Ullrich vom Internationalen Sportgerichtshof (CAS) für zwei Jahre gesperrt, diverse Erfolge zwischen 2005 und 2006 wurden ihm aberkannt. Später räumte Ullrich Behandlungen bei Fuentes ein, zu einem Doping-Geständnis wie bei seinen Ex-Kollegen Erik Zabel oder Rolf Aldag konnte er sich aber nicht durchringen - auch auf Rat seiner Anwälte.
Konsequenzen nach Beichte?
Ob die neuen Aussagen Folgen für Ullrichs frühere Siege haben - allen voran bei der Tour 1997 - ist unklar. Ullrichs einstigem Rivalen Lance Armstrong wurden beispielsweise nach seiner lebenslangen Sperre im Jahr 2013 alle sieben Tour-Siege von 1999 bis 2005 aberkannt. Bjarne Riis, der bereits 2007 Doping gestand, wird dagegen immer noch als Gesamtsieger 1996 geführt. Ullrichs Olympia-Gold 2000 dürfte wegen der zehnjährigen IOC-Verjährungsfrist für Doping-Vergehen nicht in Gefahr sein.
Nach seinem abrupten Karriereende sorgte Ullrich auch außerhalb des Sports für Negativ-Schlagzeilen. Nachdem seine Ehe mit Frau Sara zerbrochen war, kam es auf Mallorca zum „Totalabsturz“, wie er jüngst dem „Stern“ erzählte. Ullrich trank „Whiskey wie Wasser“ und nahm Kokain, wie er in einem Trailer zur Amazon-Doku ausführte. Nach einem Streit mit Nachbar und Schauspiel-Star Til Schweiger landete Ullrich für eine Nacht im Gefängnis und wenig später in der Privatklinik für Suchterkrankungen.
Einer der ersten Besucher war Armstrong, der seinem alten Rivalen half. Der US-Amerikaner überredete Ullrich, einen Entzug zu machen, damit es ihm nicht ergehe wie dem 2004 an einer Überdosis gestorbenen Italiener Pantani. „Ich hätte es nicht ertragen können, noch einen von uns zu verlieren“, sagte Armstrong in einem Interview mit dem „Zeit“-Magazin.
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