Für Gabriel Felbermayr gibt es für die heuer „besonders schwierigen“ Lohnverhandlungen in der Metallbranche keine Lehrbuch-Lösung. Eine Empfehlung hat der Wifo-Direktor dennoch für die Arbeitgeberverhandler und die Gewerkschaft.
„Diese Verhandlungen sind Verteilungskämpfe, da gibt es nicht die Empfehlung der Wirtschaftswissenschaften“, sagte Felbermayr am Donnerstag im Klub der Wirtschaftspublizisten in Wien.
Wifo-Chef für Adaptierung der Benya-Lohnformel
Erneut sprach sich der Wifo-Direktor für eine Adaptierung der in Österreich verwendeten Benya-Lohnformel aus. Bei der Benya-Formel - benannt nach dem langjährigen ÖGB-Präsidenten Anton Benya (1963-1987) - ist die Inflationsrate der vergangenen zwölf Monate plus das durchschnittliche Produktivitätswachstum der Ausgangspunkt für die Kollektivvertragsverhandlungen. Felbermayr empfiehlt die Inflationsrate der vergangenen drei Monate für die KV-Verhandlungen heranzuziehen.
Felbermayr: Einjährige KV-Abschluss soll beibehalten werden
Durch die Verwendung der rollierenden 12-Monate-Inflationsrate würden die Gehälter und Löhne erst mit Zeitverzögerung an die aktuelle Teuerung angepasst und der Staat sei unter Zugzwang mit Anti-Teuerungsmaßnahmen auszuhelfen, sagte der Wifo-Chef. Für eine adaptierte Benya-Formel brauche es aber einen Übergangsmechanismus. Der einjährige KV-Abschluss sollte laut dem Ökonomen beibehalten werden und nicht auf zwei oder drei Jahre ausgedehnt werden.
„Wifo sagt nicht, akzeptiert Reallohnverluste“
Eine Empfehlung hat der Wifo-Direktor dennoch für die Metaller-Arbeitgeberverhandler und die Gewerkschaft. Wenn man heuer beim Abschluss „ein bisschen unter der rollierenden Inflation“ von 9,6 Prozent bleibe, dann könne man dies 2024 „verpflichtend draufschlagen“. Auch einen Teil der Lohnerhöhung in Arbeitszeitverkürzung oder mehr Urlaub umzuwandeln sei wohl Thema am Verhandlungstisch. „Das Wifo sagt aber nicht, akzeptiert Reallohnverluste“, sagte der Wirtschaftsforscher in Richtung der Gewerkschaften.
Wenn man heuer beim Abschluss ein bisschen unter der rollierenden Inflation von 9,6 Prozent bleibt, dann kann man das 2024 verpflichtend draufschlagen.
Wifo-Chef Gabriel Felbermayr
Die aktuelle Auftragslage in der Industrie ist für Felbermayr „tatsächlich nicht gut“. „Das wird aber rhetorisch überhöht“. Die Metallbranche habe die „Inflation nicht verursacht“ und leide unter gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten. Bei den KV-Verhandlungen könne „die Kassenlage der Unternehmen aber kein Argument sein“, so der Wifo-Chef. „Dann hätte man nicht so viel ausschütten dürfen, es ist kein Problem der Liquidität.“
Prognose: Österreichs Wirtschaft wächst 2024 um 1,2 Prozent
Das Wifo geht in seiner Oktober-Konjunkturprognose für 2023 und 2024 von durchschnittlichen KV-Erhöhungen in Höhe der rollierenden Inflation aus. Heuer soll die Wirtschaftsleistung in Österreich um 0,8 Prozent schrumpfen und im kommenden Jahr um 1,2 Prozent wachsen. Für Felbermayr gibt es mehrere Gründe, warum die aktuellen KV-Verhandlungen komplizierter sind als zuvor.
Die Corona-Krise, der Ukraine-Krieg sowie hohe Energiepreise und Rekordinflation haben Österreich ärmer gemacht. Die Kaufkraft pro Kopf gemessen am BIP im vierten Quartal 2023 liege noch unter 2019-Niveau, auch weil 3 Prozent mehr Menschen in Österreich leben. „Der pro Person zur Verfügung stehende ,Kuchen‘ ist kleiner geworden, Verteilungskämpfe sind schwieriger“, so der Wifo-Chef.
Hohe Gehaltsabschlüsse - höheren Inflationsrate
Die exportorientierte Industrie müsse nun die hohe Inflation „ausbaden“ und könne die Teuerung bei ihren Produkten nicht so leicht weitergeben, wie etwa der Dienstleistungssektor (u.a. Tourismus, Gastronomie) oder der Handel, so Felbermayr. Hohe Gehaltsabschlüsse im Dienstleistungsbereich werden laut Wifo-Direktor langfristig in Österreich zu einer höheren Inflationsrate als in der Eurozone führen. „Das macht mir Bauchschmerzen.“ In einer Währungsunion bedeute dies „a la longue“ eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit für Österreichs Unternehmen und Marktanteilsverluste.
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