Nach 18 Jahren und 351 GP-Rennen nimmt Alpha-Tauri-Teamchef Franz Tost Abschied von der Formel 1. Im großen Interview mit der „Krone“ plaudert der Tiroler über Höhepunkte, seine Zukunft - und auch über Max Verstappen
Krone: Franz, Abschied nehmen tut weh, sagt man. Ist das auch bei dir der Fall?
Franz Tost: Im Moment nein. Wir kämpfen noch um Platz sieben in der Konstrukteurs-WM, konzentrieren uns daher voll aufs Rennen am Sonntag. Wir nehmen das sehr, sehr ernst. Ich bin also noch voll integriert, und das wohl auch noch in der nächsten Woche, weil es geht ja auch darum, das Team ordentlich zu übergeben, damit wir 2024 optimal aufgestellt sind. Wie es dann im Jänner aussieht, weiß ich nicht genau. Ich habe in 18 Jahren als Team-Principal viele Leute kennen und schätzen gelernt. Es kann also sein, dass dann ein wenig Wehmut aufkommt und ich diese Menschen vermisse.
Könntest du dir vorstellen, noch einmal zurück zu kommen, vielleicht in der Rolle eines Beraters?
Wir haben mit dem Peter Beyer als CEO und Laurent Mekkies als Teamchef zwei hervorragende Leute, die das Team auf ihre eigene Weise führen. Daneben zu stehen und zu sagen, macht dies und jenes, finde ich nicht richtig. Ich sage lieber , laissez faire, lass sie es machen. Und ich bin überzeugt, sie gehen in die richtige Richtung.
18 Jahre an der Spitze eines Formel 1-Teams, da gab’s doch viele Herausforderungen oder?
Na klar. Es begann damit, als Didi Mateschitz 2005 gesagt hat, Franz, du gehst jetzt nach Italien und baust das Ding auf. Die Philosophie war klar: Nützen der Synergien von Red Bull Technology und Fördern von jungen Fahrern, die dann zu Red Bull Racing gehen und Rennen und Meisterschaften gewinnen. Und das lieg gut, vielleicht zu gut. Denn als wir mit Sebastian Vettel 2008 in Monza gewannen, haben sich die Teams aufgeregt und gefordert, dass wir ein eigenes Auto bauen. Und das war natürlich eine Riesenherausforderung, weil wir ja die Infrastruktur nicht hatten, Auch 2018, als die Zusammenarbeit mit Honda begann, erlebten wir herausfordernde aber auch schöne Zeiten. Ich wurde von McLaren-Leuten belächelt, die gemeint hatten, was wollt ihr mit den Japanern. Ich habe ihnen nur geantwortet, reden wir in fünf Jahren weiter
Klingt spannend.
War es auch, weil ich damals dem Honda-CEO gesagt habe, ihr müsst für jedes Rennen ein Update bringen, auch wenn wir ganz hinten stehen. Denn ihr müsst beweisen, dass ihr mit dem Speed, den die Formel 1 auch in ihrer Entwicklung verlangt, mithalten könnt. Und wenn ihr dann mit Red Bull Racing zusammenarbeitet, dann könnt ihr Rennen und Titel gewinnen.
Danach kam die Zeit als Chef von Alpha Tauri.
Didi Mateschitz wollte die Modemarke promoten, das ist gelungen. Auch für uns gab es noch schöne Erfolge mit dem Sieg von Pierre Gasly in Monza und weiteren Podestplätzen.
Wie hast du die Zusammenarbeit mit den jungen Piloten empfunden?
Das war eine ganz spezielle Sache. Ich habe es gemocht, mit den jungen Leuten, weil jeder seinen eigenen Charakter hat. Da war es interessant herauszufinden, wie jeder tickt, was er will, welche Ziele er hat. Und diese wollte ich gemeinsam mit dem Team auch erreichen. Egal, ob Vettel, Verstappen, Ricciardo, Gasly, Vergne, Sainz oder jetzt Tsunoda - ich haber sehr positive Erinnerungen, meist ein wirklich gutes Arbeitsverhältnis. Klar hat es immer Höhen und Tiefen gegeben, wo man dann auch einmal auf den Tisch hauen musste, weil es nicht immer so funktioniert hat, wie wir uns das vorgestellt hatten.
Apropos Verstappen. Sein Engagement war ja nicht ganz unumstritten.
Stimmt. Wir wurden von der Presse heftig kritisiert, einen 16-Jährigen in die Formel 1 zu holen. Aber: Wir hatten einen Test mit Max auf dem Adria Raceway und er hatte kein Problem mit dem Speed eines Formel 1-Autos, das war das Entscheidende. Er hat alles sofort adaptiert und ich hatte nicht das geringste Bedenken, dass Max seinen Aufgaben nicht gerecht werden könnte. Zudem war auch das interne Duell mit Sainz sehr spannend, auch wegen der Politik, die die Väter hinter den Kulissen gemacht haben. Von den Emotionen her sehr interessant.
Und wann kam der Moment, einen Schlussstrich zu ziehen?
Ich habe vor zwei Jahren dem Didi Mateschitz gesagt, dass ich mit 70 Jahren nicht mehr an der Pitlane stehen werden. Er hat es damals nicht geglaubt, aber ich machte mich auf die Suche nach Nachfolgern, die wir jetzt mit Peter Beyer und Laurent Mekkies haben. Und so die Chance, nächstes Jahr ein neues Level zu erreichen.
Wo werden wir Franz Tost antreffen, wenn die Formel 1 in die neue Saison startet?
Auf jeden Fall beim Skifahren. Bis jetzt war es ja so, dass ich nur am Samstag oder Sonntag konnte - und da hat’s dann geregnet oder geschneit. Danach waren Tests und die ersten Rennen. Wenn da nach Hause gekommen bin, war die Skisaison vorbei. Jetzt freue mich auf die Freiheit, entscheiden zu können, wann ich gehen. Wenn ich sehe, es gibt Pulverschnee, dann fahre ich einfach auf den Berg
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