Bevor Smart wieder einen Zweisitzer-Floh auf den Markt bringt, etabliert sich die Automarke (seit 2020 ein Joint Venture von Geely und Mercedes-Benz) zunächst als sehr erwachsener Autohersteller. Im Frühjahr kommt das zweite Modell: Auf den #1 folgt der #3, ein poppiges, rein elektrisch angetriebenes SUV-Coupé für jung(geblieben)e Aktivfahrer. „Krone“-Motorredakteur Stephan Schätzl war mit dem Topmodell Brabus unterwegs - seine Eindrücke hier im Video.
Stellt man #1 und #3 nebeneinander, wirken sie beinahe wie ein Teenager neben einem jungen Erwachsenen. Beide haben das Playmobil-artige Dach, das farblich abgesetzt ist und den Eindruck erwecken soll, über der Karosserie zu schweben. Beim #1 wirkt es aber noch aufgesetzter. Der #3 ist deutlich größer (13 cm länger) und stellt auch das optisch reifere Auto dar, wenn man so will. Er ist nicht einfach nur die Coupé-Variante des kleinen Bruders, sondern ein in weiten Bereichen neues Auto, auch wenn sie sich die Architektur teilen. Auch im Fahrwerk, wo Federn, Dämpfer, Stabilisatoren und Gummilager neu konstruiert sind.
Wo der #1 seinen Fokus auf Familien hat, spricht der #3 eher dynamische Bedürfnisse an. Dafür liegt er zwei Zentimeter tiefer, die Sitzposition im Auto ist um weitere zwei Zentimeter niedriger, der Wagen ist nur 1,55 Meter hoch (acht Zentimeter niedriger als der #1).
Abgesehen vom Verzicht auf die verschiebbare Rückbank ist der Alltagsnutzen dennoch nicht geringer. Trotz flach verlaufender Dachlinie herrscht unerwartete Luftigkeit über den Passagieren in Reihe zwei. Sogar auf dem Mittelsitz kann ein groß gewachsener Mitreisender Platz nehmen, ohne mit dem Scheitel am serienmäßigen Panoramaglasdach anzustreifen. Und die Kniefreiheit kann sich mit manchen Autos messen, die länger sind als 4,40 Meter und die mehr Radstand haben als 2785 Millimeter.
Hinter die serienmäßig elektrisch betätigte Heckklappe passen 370 Liter, die man teilweise unter dem doppelten Boden vorfindet. Den kann man nicht flach hineinlegen, was die Nutzbarkeit etwas einschränkt. Man kann ihn höchstens herausnehmen, hat dann aber keinen ebenen Boden. Und müsste das herausgenommene Teil mangels Verstaumöglichkeit zu Hause lassen. Das maximale Ladevolumen mit umgeklappten Rücksitzlehnen beträgt 1160 Liter.
Tadelloses Interieur
Im Cockpit sind die beiden Plätze deutlich durch eine hohe Mittelkonsole getrennt, die ein Teil mit dem Armaturenbrett bildet. Obenauf praktische Staumöglichkeiten, darunter Platz für eine große Handtasche. Das Tachodisplay ist flach und querformatig, der 12,8-Zoll-Touchscreen aufgesetzt. Beide weisen eine bunte, verspielte Grafik auf. Ein Gepard hat als Avatar seinen Plätzchen rechts unten am Bildschirmrand. Man merkt, dass der chinesische Teil des Joint Ventures die Software überhat. Im Reich der Mitte geht es nicht ohne solche Spielereien.
Teilweise lassen Übersetzungen noch zu wünschen übrig, ebenso die Bedienstruktur. So ist es zum Beispiel relativ sinnlos, dass man zwischen den zwei vorhandenen Rekuperationsmodi auf einer leicht erreichbaren Übersichtsseite wählen kann, der One-Pedal-Modus aber über eine Extra-Taste unterhalb des Screens und ein weiteres Menü aktiviert werden muss. Im Übrigen unterscheidet er sich vom stärkeren der beiden Rekuperationsmodi nur dadurch, dass er das Auto bis zum Stillstand abbremst.
Was wirklich nervt: Die Außenspiegel werden über die Lautstärketasten am Lenkrad eingestellt, nachdem man die Funktion am Display aktiviert hat.
Zwei Batterien, zwei(einhalb) Antriebe
Mit dem #3 führt Smart eine Basis-Batterie ein, die künftig auch der #1 bekommt. Der Lithium-Eisen-Phosphat-Akku des Einstiegsmodells „Pro“ befindet sich im gleichen Gehäuse wie das sonst eingebaute NCM-Teil und wiegt auch fast genauso viel, kann aber netto nur 45 statt 62 Kilowattstunden speichern und ist deutlich billiger. So kostet die nächsthöhere Ausstattung Pro+ glatte 5000 Euro mehr. Für den städtischen Einsatz wird vielen Kunden aber die WLTP-Reichweite von 325 Kilometer reichen. Beim Antrieb muss man nicht verzichten: Schon das billigste Modell hat eine Leistung von 200 kW/272 PS.
Diesen Heckantrieb haben auch alle anderen Modelle (bis auf den Brabus). Jedenfalls im Wesentlichen, denn wegen eines effizienteren Umrichters arbeitet der Motor in den Modellen Premium und 25th Anniversary Edition sparsamer. Daher kommt der Pro+ auf eine WLTP-Reichweite von 435 km, die anderen beiden auf 455 km.
Topmodell ist der Brabus, der mit einem zusätzlichen Frontmotor insgesamt 315 kW/428 PS mobilisiert und auf eine Reichweite von 415 km kommt.
Geladen werden die Akkus mit bis zu 130 kW (LFP) bzw. 150 kW (NCM), 10 bis 80 Prozent soll sich in unter 30 Minuten ausgehen. Als Stromverbrauch gibt Smart zwischen 16,3 und 17,8 kWh/100 km an.
Fahren ist die größte Freude
Zum Test trat der Brabus an, ein wahrer Freudenspender der Straße. In den „zivilen“ Fahrmodi werden die Vorderräder erst bei Bedarf automatisch zugeschaltet, im Brabus-Mode stehen beide PSM-Maschinen unter Dauerstrom. Der Antritt ist phänomenal, nach 3,7 Sekunden stehen bereits 100 km/h am Tacho. Die 1910 kg DIN-Gewicht fallen zu keinem Zeitpunkt auf, denn das Fahrwerk ist - anders als in dieser Klasse üblich - nicht auf Untersteuern ausgelegt, sondern tendiert im Extremfall eher zum Übersteuern. Das lässt den Brabus-Smart extrem flink um die Ecken wetzen.
Dennoch ist das Fahrwerk keineswegs unkomfortabel. Nur eine Sache nervt beim Fahren: Schon der schwächere der beiden Rekuperationsmodi bremst relativ stark. Smart arbeitet aber bereits an weiteren Stufen.
Die anderen Varianten haben 100 kg bzw. 130 kg (Pro) weniger und absolvieren den Standardsprint in auch nicht faden 5,8 Sekunden. Bei 180 km/h ist für alle Schluss.
Gewarnt wird viel - Top-Elektronik in Serie
Schon im Basismodell ist der Adaptivtempomat mit Spurführungsassistent serienmäßig. Er hält das Fahrzeug ziemlich restriktiv in der Spur, kommt aber ins Taumeln, wenn es ans Kurvenfahren geht. Sicherheit geht anders. Dafür warnt ein schriller Ton, wenn man zu lange auf den Touchscreen schaut, was aber manchmal notwendig ist. Etwa um diverse Warnungen abzuschalten, wie etwa den Tempolimitwarner, der nicht nur piepst, sondern wahlweise mit weiblicher oder männlicher Stimme das überschrittene Tempolimit ansagt und die Überschreitung konstatiert. Manchmal zweimal direkt nacheinander.
Dabei kam es beim Test auf Mallorca auch vor, dass die Stimme 30 km/h einforderte, das Display aber die tatsächlich erlaubten 50 km/h anzeigte.
Die Preise
Bei 39.700 Euro (alles jeweils abzüglich Förderung) für die Basisversion Pro mit der schwächeren Batterie geht es los. Schon hier mit dabei ist fast das komplette Assistenzpaket, Ledersitze, 360-Grad-Kamera mit Parksensoren rundum oder Sitzheizung.
Pro+ ab 44.700 Euro bringt vor allem die stärkere Batterie, aber u.a. auch den 22-kW-Lader (Pro nur 7,4 kW). Ab Premium und 47.700 Euro gibt es dann auch schon Wärmepumpe, LED-Matrix-Scheinwerfer, Head-up-Display, den automatischen Parkassistenten oder auch das Beats-Soundsystem mit 13 Lautsprechern. Streng limitiert ist das 25th-Modell um 48.200 Euro mit seinem speziellen Lichtspiel-Glasdach.
Topmodell ist der Brabus um 52.200 Euro mit sportlichen Akzenten und 20 statt 19 Zoll großen Rädern.
Fahrzit
Man mag es dem verspielt designten Smart #3 gar nicht zutrauen: Er bietet richtig viel Auto fürs Geld und wirkt bis auf ein paar Software-Dinge sehr ausgereift. Platzangebot und Fahrverhalten sind hervorragend und die Serienausstattung erstaunlich. Und doch wird es manchen potentiellen Kunden schwerfallen, in dieser Fahrzeugklasse einen Smart ernst zu nehmen. Das wird ihm allerdings nicht gerecht. Und zum Drüberstreuen: 1600 kg Anhängelast (wenn man eine Anhängerkupplung mitbestellt) sind in der Klasse mehr als beachtlich.
Warum?
Feines Fahrverhalten
Kräftige Antriebe
Viel Platz
Warum nicht?
Software braucht noch etwas Feinschliff
Oder vielleicht ...
... BYD Atto3, Mini Countryman
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