Wegen Nahost-Konflikt
Experten: Terrorgefahr so hoch wie lang nicht mehr
Der terroristische Angriff der Hamas in Israel und die israelische Offensive im Gazastreifen haben die Terrorgefahr in Deutschland nach Einschätzung des Verfassungsschutzes erheblich erhöht. Die größte Gefahr geht seiner Analyse zufolge hierzulande allerdings nicht von Anhängern der Hamas oder der pro-iranischen Hisbollah aus, die sich mit öffentlichen Äußerungen zurückhalten.
Vielmehr gelingt es offenbar Terrorgruppen wie Al-Kaida oder dem „Islamischen Staat“ (IS) wieder vermehrt, vorwiegend junge Menschen anzustacheln, indem sie die zivilen Opfer israelischer Bombardierung im Gazastreifen und die humanitäre Notlage in dem palästinensischen Gebiet als Teil einer vermeintlich anti-muslimischen westlichen Strategie darstellen.
Verfassungsschutz kämpft auch an anderen Fronten
Den Inlandsgeheimdienst trifft diese Entwicklung in einer Zeit, in der die Behörde nach eigenem Bekunden auch auf anderen Gebieten schon stark gefordert ist. Die Zahl der politisch motivierten Straftaten hatte im vergangenen Jahr zum vierten Mal in Folge zugenommen und damit einen neuen Rekord erreicht. Razzien und Festnahmen im Milieu der sogenannten Reichsbürger sowie Durchsuchungen bei gewaltbereiten Rechtsextremisten sind nur zwei Beispiele dafür, was die Verfassungsschützer und die Staatsschutz-Abteilungen der Polizei zurzeit sonst noch beschäftigt.
„Wir sind aktuell durch parallele Krisen mit einer komplexen und angespannten Bedrohungslage konfrontiert, die durch die barbarischen Verbrechen der Hamas noch verstärkt wird“, sagt der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang.
„Das Gefahrenpotenzial für mögliche Terroranschläge gegen jüdische und israelische Personen und Einrichtungen sowie gegen „den Westen“ insgesamt ist in der Folge deutlich angestiegen“, heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten aktuellen Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Unter Dschihadisten beobachtet der Inlandsnachrichtendienst nach eigenen Angaben Aufrufe zu Attentaten und ein „Andocken“ der Terrorgruppen Al-Kaida und IS an den Nahost-Konflikt.
„Gefahr ist real und so hoch wie seit langem nicht mehr“
Haldenwang sieht hier unter anderem das Risiko einer Radikalisierung von allein handelnden Tätern, die sogenannte weiche Ziele mit einfachen Tatmitteln angreifen. Er betont: „Die Gefahr ist real und so hoch wie seit langem nicht mehr.“
Anhänger von Hamas und Hisbollah kaum auf Demos
Über das dschihadistische Spektrum hinaus sei zudem eine gestiegene Polemik zu beobachten, die die Muslime und die Palästinenser als Opfer des Westens darstellt und in Teilen deutlich antisemitische Beiträge beinhaltet, analysiert der Verfassungsschutz. Anhänger der palästinensischen Hamas und der libanesischen Hisbollah hielten sich zurück und tauchten auch bei propalästinensischen Demonstrationen nicht als Gruppe auf, „da sie sich einem deutlichen staatlichen Verfolgungsdruck ausgesetzt sehen“. Für beide Gruppierungen gilt in Deutschland ein Betätigungsverbot.
Als „Scharfmacher und Mobilisierungstreiber“ in der aktuellen Lage sieht der Verfassungsschutz neben Islamisten auch palästinensische Extremisten, türkische Rechtsextremisten sowie deutsche und türkische Linksextremisten. Die Mehrheit der Teilnehmer propalästinensischer Demonstrationen seien zwar keine Extremisten. Es gelinge Extremisten aber immer wieder, bei solchen Veranstaltungen Hassbotschaften zu verbreiten und für eine Eskalation zu sorgen. Deutsche Rechtsextremisten nutzten die Situation ihrerseits zur Agitation gegen Muslime und Migranten. Unter deutschen Linksextremisten würden teils proisraelische, teils propalästinensische Positionen vertreten.
Propaganda aus dem Ausland verschärft die Lage
„Verschärft wird die Situation durch ausländische staatliche Akteure, die diese Stimmungslage für sich ausnutzen oder gar zu verstärken suchen“, sagt Haldenwang. Konkrete Staaten nennt er nicht. Es geht hier wohl in erster Linie um Propaganda und um eine Verstärkung von Stimmungen, die für Unruhe in der Gesellschaft sorgen.
Russland soll hinter Sprühaktion in Paris stecken
In Frankreich werfen Ermittler Russland vor, hinter dem massenhaften Besprühen von Pariser Gebäuden mit Davidsternen im Oktober zu stecken. Ein nach der Sprühaktion in Paris und Umlandgemeinden festgenommenes Paar aus Moldau hatte nach Angaben der Pariser Staatsanwaltschaft angegeben, die Davidsterne im Auftrag einer dritten Person gegen Geld auf die Wände gesprüht zu haben. Auf ihrem Telefon stießen die Fahnder auf einen Austausch in russischer Sprache. Die beiden Festgenommenen wurden in Abschiebehaft genommen. Ein weiteres an der Sprühaktion nach Angaben der Staatsanwaltschaft ebenfalls beteiligtes Paar reiste tags darauf aus Frankreich aus. Ein bisher nicht ermittelter Mann soll nach den Bildern einer Überwachungskamera bei der Sprühaktion Fotos gemacht haben.
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