Chinas (nach eigenen Angaben) Marktführer in Sachen SUVs und Pick-ups, Great Wall Motors, will spätestens ab Sommer 2024 den österreichischen Markt erobern. Eines der ersten Fahrzeuge wird der Wey 03 sein, ein Plug-in-Hybrid-SUV knapp unter Mercedes-GLC-Format mit einer phänomenalen elektrischen Reichweite. Wir hatten die Gelegenheit, rund um Rom erstmals damit zu fahren.
Ein Achtung einflößender Kühlergrill, auch sonst viel Chrom und Metallleisten - der GWM Wey 03 inszeniert sich mit einem großen Auftritt. Wirkt er außen dennoch nicht ganz premiumhaft, ändert sich dieser Eindruck im Innenraum: Hier fühlt man sich schnell an Mercedes erinnert. In Karoform gestepptes, gelochtes (Kunst-)Leder, Metallapplikationen mit integrierten Lautsprechern, selbst die Verarbeitung lässt das Auge Stuttgarter Wertarbeit vermuten.
Doch noch viel mehr hauen einen die technischen Daten vom Hocker: Je nach Antrieb schafft der Plug-in-Chinese mit seiner 34 kWh (netto: 28,9 kWh) großen Batterie eine rein elektrische WLTP-Reichweite von 124 oder 136 Kilometer, wobei der höhere Wert für das Allrad-Topmodell gilt. Sogar das Laden geht schnell: Auch mit 50 kW DC-Ladeleistung (0-80% in 38 min., AC: 7,4 bzw. 11 kW) steht der Wey 03 vorerst konkurrenzlos im Segment, bis die neue Generation des VW Tiguan gleichzieht.
Doppel- und Triple-Herz
Es gibt zwei Antriebe zur Auswahl: einen Fronttriebler mit 367 PS Systemleistung bzw. 500 Nm -Drehmoment und einen Allradler mit 442 PS/685 Nm. Für die Vorderachse zuständig generell ein 204 PS starker Zweiliter-Vierzylinder-Turbo-Benziner gemeinsam mit einem 120-kW-Elektromotor, die ihre Kraft über ein in house entwickeltes Neungang-Doppelkupplungsgetriebe weiterreichen. Beim AWD sitzt ein weiterer, 135 kW/184 PS bzw. 232 Nm starker Elektromotor im Heck, der über eine Zweigangautomatik die Hinterachse antreibt.
Hintergrund für Technikinteressierte: Dieser Heckmotor ist im reinen Elektrobetrieb meist allein im Einsatz, vor allem deshalb ist der Allradler elektrisch effizienter unterwegs - der vordere E-Motor muss immer das große Getriebe „mitschleppen“. Außerdem kann der Allradler mehr Energie zurückgewinnen.
Wie er sich fährt? Kommt drauf an ...
Der Antrieb hat große Auswirkungen darauf, wie angenehm sich das Fahrerlebnis im GWM Wey 03 gestaltet. Das Hybridsystem des Allradlers ist blitzsauber abgestimmt, der Übergang zwischen Verbrenner und Elektromotoren passiert geschmeidig. Die (abgesehen vom E-Mode) im Alltag relevanten Fahrmodi Normal und Sport liefern das, was man erwartet, ohne etwas zu übertreiben. Es sind sogar sportliche Fahrleistungen drin: Der Standardsprint dauert nur 5,3 Sekunden und erst bei 230 km/h endet die Beschleunigung.
Mit Frontantrieb ist der Wagen kaum wiederzuerkennen. Im Normalmodus kommt er aus dem Stand kaum vom Fleck, weil die Kraft so verzögert ankommt und die Gaspedalkennlinie extrem defensiv verläuft. Steigt man fester drauf, reißt er mit durchdrehenden Rädern los. Rollt man auf der Landstraße gemächlich dahin und tritt dann voll aufs Gas, dauert es handgestoppte knapp drei Sekunden, bis die volle Power anliegt. Wenn sich der Verbrenner zuschaltet, kommt oft Hektik auf, weil er häufig angestrengt und mit hoher Drehzahl einsetzt. Da müssen sie noch etwas feilen in der Zentrale in Baoding, einer Art Neun-Millionen-Vorort von Peking. Auf dem Papier ist alles gut: 7,3 Sekunden von null auf 100 km/h, und auch das Basismodell läuft 230 km/h.
Fahrwerk eher etwas für Anspruchslose
Das Fahrwerk des GWM Wey 03 kann mit den sportlichen Fahrleistungen nicht mithalten. Die Lenkung ist gefühllos und indirekt, beim Einlenken schwankt der Wey, in Kurven neigt er sich spür- und sichtbar zur Seite. Auf der anderen Seite ist er aber auch nicht besonders komfortabel, die Räder (19 Zoll mit Frontantrieb, sonst 20 Zoll) holpern hölzern über Bodenunebenheiten hinweg.
Man spürt jederzeit das Gewicht (2100 kg mit Front-, 2220 kg mit Allradantrieb). Auch beim Rangieren fühlt sich das Auto schwerfällig an: Der Wendekreis des 4,67 Meter langen und 1,89 Meter breiten SUVs beträgt 12,70 Meter! Zum Vergleich: Ein BMW X3 mit rund 10 cm mehr Radstand braucht exakt 12 Meter.
Volle Assistent-Phalanx
Wenn den Benziner nicht gerade der Hafer sticht, geht es ruhig zu. Mit zwei Ausnahmen: Das Elektroauto-Fußgänger-Warngeräusch ist auffallend laut und die Vielzahl an Assistenzsystemen verursacht eine Kakophonie der Warntöne. Irgendwas piepst oder warnt immer oder greift sogar ein. Es reicht nicht, den Spurhalteassistenten abzuschalten, weil dann immer noch der Notfallassistent ins Lenkrad fasst, ob notwendig oder nicht. Im Fall der schmalspurigen Landstraßen rund um Fiumicino war der Dauereinsatz einfach nur lästig und sogar gefährlich, weil das Auto schnurstracks im Gegenverkehr landet, wenn man nicht aufpasst. Man kann das zwar alles abschalten - bei nächsten Neustart geht die Suche im Menü aber von vorne los.
Sehr hartnäckig ist die Tempolimitwarnung: „Das Tempolimit beträgt XX Kilometer, Sie überschreiten das Tempolimit.“ Eigens abschalten lässt sich das nicht, es kommt aus dem Navi und ist immer aktiv, wenn man die gesprochenen Navigationshinweise eingeschaltet hat. Seltsame Erkenntnis: Diese Limitwarnung unterscheidet sich oft von der, die am Tachodisplay angezeigt wird, weil die eine auf der Navi-Software, die andere auf der Kamerabeobachtung basiert.
Die gute Nachricht: Das komplette Assistenzpaket ist serienmäßig an Bord, auch der Adaptivtempomat mit Spurführungsassistent. Das Lenkrad will aber regelmäßig leicht gedreht werden, damit das Auto weiß, dass der Fahrer eh da ist.
Der wird übrigens auch ständig überwacht. Ist er unaufmerksam, ertönt eine Warnung. Der entsprechende Sensor klebt auffällig auf der B-Säule - das könnte man eleganter lösen.
Drei Displays Serie
Der GWM Wey 03 bietet serienmäßig drei Displays: ein 9,2-Zoll-Tacho-Display, einen 14,6-Zoll-Touchscreen und einen weiteren in 9 Zoll für die Klimaanlage, ähnlich wie wir das von Audi kennen. Genialer Bedienkniff: Für die Verstellung von Temperatur und Lüftergeschwindigkeit braucht man nicht die kleinen Pfeilchen treffen - man kann auch mit zwei Fingern rauf/runter (Temperatur) oder links/rechts fahren (Lüfter).
Die Menüstruktur am Hauptdisplay dürfte gerne aufgeräumter sein, aber mit etwas Übung findet man sich zurecht. Am Lenkrad befinden sich Schaltflächen, die aus einer stark spiegelnden Folie bestehen. Diese wirken so billig wie nichts anderes an dem sonst sehr wertigen Wagen.
Opulentes Platzangebot
Es ist viel Platz in dem SUV. Auf der Rückbank fühlen sich auch große Erwachsene mehr als wohl, gleichermaßen wegen der Platzverhältnisse wie wegen der eleganten Anmutung.
Auch vorne sitzt man gut, trotz der etwas kurz geratenen Sitzauflagefläche. Nur der Längs-Verstellbereich der Lenksäule ist zu gering. Das ist gut für die Rücksitzpassagiere, aber schlecht für eine wirklich ideale Sitzposition. Platz, um Dinge zu verstauen ist genug, auch unter der Mittelkonsole. In den Kofferraum passen bis zur Abdeckung 371 Liter, umgeklappt sind es 1289 Liter. Bemerkenswert: 2000 kg Anhängelast.
Wann, was, wie viel?
In Österreich gibt es bisher weder einen Importeurs- noch einen Händlervertrag. Nur Verhandlungen. Doch GWM Europe ist zuversichtlich, dass der Markteintritt im ersten Halbjahr passieren kann. Dann soll der GWR Wey 03 in der schon sehr gut ausgestatteten Basisversion wohl ab etwa 45.000 Euro erhältlich sein. Die Topausstattung soll 4000 Euro mehr kosten, für den nur topausgestatteten Allradler werden weitere 5000 Euro fällig. Wer für den Fronttriebler zu anspruchsvoll ist, muss also mit mindestens 54.000 Euro rechnen.
Die Sache mit dem Namen
Aufmerksame Leser haben es längst bemerkt: Wir haben über dieses Auto bereits vor zwei Jahren berichtet, als es auf der ersten Münchner IAA stand. Damals hieß es noch Wey Coffee 02. Doch Great Wall Motors stellt die Marke(n) neu auf: Wey ist keine eigene Marke mehr, ebenso Ora. Stattdessen ist GWR künftig die Marke, Wey und Ora sind Modellbezeichnungen, die noch eine Ziffer beiseitegestellt bekommen. Das zweite Wey-Modell - eine Klasse über dem GWR Wey 03 platziert und mit coupéhaft angehauchter Dachlinie - kommt als Wey 05 zu den Händlern, aus dem Ora Funky Cat wird der GWM Ora 03.
Fahrzit
Es ist eine vielversprechende Premiere, die der GWM Wey 03 da abgeliefert hat. Rein faktisch bietet er in seiner Klasse ein unschlagbares Angebot: Größe, Leistungsdaten, E-Reichweite, Ausstattung - alles outstanding. Es braucht noch ein wenig Feinschliff, aber da könnte sich bis zum Marktstart noch einiges ausgehen. Dann wird man sehen, ob es heißt: Au-Wey oder Wey not?
Warum?
Extrem gute elektrische Reichweite
Tolle Leistungsdaten
Verhältnismäßig günstiger Preis
Warum nicht?
Ausbaufähige Fahreigenschaften und Hybrid-Abstimmung (FWD)
Keine etablierte Marke
Oder vielleicht ...
... BMW X3, Volvo XC60, Seat Tarraco, Hyundai Santa Fe, Toyota RAV4, Mitsubishi Outlander, VW Tiguan, Skoda Kodiaq ...
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