Vor zehn Jahren hat sich Vitali Klitschko bei den Euromaidan-Protesten den Ruf eines Helden erworben, bald darauf wurde er zum Bürgermeister von Kiew gewählt. Klitschko ist neben Präsident Wolodymyr Selenskyj das prominenteste Gesicht im ukrainischen Widerstand gegen die russische Aggression. Zwischen den beiden gibt es aber immer wieder Zank. Nun äußerte der Bürgermeister erneut Kritik am Staatsoberhaupt.
Zuletzt hatte Selenskyj den Bürgermeister getadelt, weil während eines russischen Luftangriffs ein Bunker verschlossen blieb. Nun warf Klitschko dem ukrainischen Präsidenten vor, die Ukraine nicht besser auf den russischen Überfall im Februar 2022 vorbereitet zu haben.
Viele Leute würden sich fragen „wieso Selenskyj bis zum Schluss verneinte, dass es dazu kommen werde“, so Klitschko im Interview mit der Schweizer Zeitung „20 Minuten“. Seiner Ansicht nach gab es „zu viele Informationen, die sich mit der Realität nicht deckten“.
Am Ende des Krieges wird jeder Politiker für seine Erfolge und Misserfolge zahlen.
Vitali Klitschko
Es überrasche ihn daher nicht, dass die Popularität des Präsidenten in der Bevölkerung sinke, denn er „zahlt für Fehler, die er gemacht hat“, sagte Klitschko. Zwar betonte er, dass man Selenskyj „bis zum Kriegsende unterstützen“ müsse. „Am Ende des Krieges wird jeder Politiker für seine Erfolge und Misserfolge zahlen“, betonte der Kiewer Bürgermeister und ehemalige Boxchampion.
Kommenden März wären regulär Präsidentenwahlen in der Ukraine angesetzt. Unklar ist, ob und wie sie angesichts des Krieges durchgeführt werden können - Selenskyj hatte sich zuletzt dagegen ausgesprochen, sie abzuhalten. Er selbst will sich nicht der Wiederwahl stellen, wenn der Krieg irgendwann beendet ist.
Gegen politische Grabenkämpfe
Immer wieder werden Klitschko selbst Ambitionen für das Präsidentenamt nachgesagt. Zu seinen politischen Plänen wollte er sich in dem Interview aber nicht äußern. Denn „in einem Land, das in seiner Existenz wackelt“ sei es „schlicht dumm“ sich an politischen Grabenkämpfen zu beteiligen - einige Politiker würden das aber trotzdem tun, merkte Klitschko an.
Als möglicher Kandidat für das Präsidentenamt wird auch Generalstabschef Walerij Saluschnyj gehandelt. Er hatte im November vor einem Patt im Krieg mit Russland gewarnt, worauf ihm Selenskyj offen widersprochen.
„Können Volk nicht ewig anlügen“
Auch hier tadelte Klitschko den Präsidenten, ohne ihn beim Namen zu nennen. „Manchmal wollen die Menschen die Wahrheit nicht hören“, sagte er in dem Interview. „Selbstverständlich können wir euphorisch unser Volk und unsere Partner anlügen. Aber das kann man nicht ewig machen“, so Klitschko. Er verteidigte die ernüchternden Aussagen von Saluschnyj, denn er habe „die Wahrheit gesagt“, bekräftigte der Kiewer Bürgermeister.
Kritik übte er auch am Westen für zögerliche Waffenlieferungen an die Ukraine. Bei Langstreckenraketen sei man „viel zu vorsichtig“. So finde etwa die deutsche Regierung Ausreden dafür, dass sie Taurus-Raketen nicht liefere.
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