Der Ukraine steht ein harter Winter bevor. Nach einer Gegenoffensive im Sommer, die kaum Fortschritte brachte, müssen sich die ukrainischen Truppen jetzt eingraben und sich immer wieder russischer Angriffe erwehren. Bundesheer-Oberst Markus Reisner befürchtet sogar einen Durchbruch der Invasoren, wenn die Ukraine ihre militärischen Ressourcen nicht auffüllen - und dabei sieht es düster aus.
Die Gefahr für einen Durchbruch der russischen Armee in den kommenden Wochen und Monaten besteht laut dem Militärexperten Reisner dann, „wenn die Ukraine nicht die ausreichenden Mittel hat, sich entsprechend zu verteidigen oder selbst in die Offensive zu gehen“, sagte er gegenüber ntv.de. Bei ihren Offensiven in der Vergangenheit habe die Ukraine bei Charkiw oder Cherson einige spektakuläre Erfolge erzielt, so Reisner. Das Dilemma dabei: „Dabei wurden militärische Ressourcen verbraucht, die aufgefüllt werden müssen“, erklärte der Bundesheer-Oberst.
Angriffe auf das Hinterland drohen
Die Ukraine müsse jetzt den Winter überstehen und vor allem das Hinterland schützen - Hier drohen wieder russische Luftangriffe auf die kritische Energie-Infrastruktur. Im Frühjahr werde es wieder darum gehen, die besetzten Gebiete freizukämpfen, darauf müssten sich die ukrainischen Truppen nun einstellen. „Dazu braucht die Ukraine Ressourcen, die jetzt bereitgestellt werden müssen“, betonte Reisner.
Zahlen machen Kriegsmüdigkeit sichtbar
Und genau hier liegt das Problem: Denn im Westen macht sich allmählich eine Kriegsmüdigkeit breit, die sich nun auch in den nackten Zahlen niederschlägt. Die westliche Militärhilfe für die Ukraine ist von einem Strom zu einem Rinnsal geworden. So ging die neu zugesagte Hilfe zwischen August und Oktober 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um knapp 90 Prozent zurück, wie das Kiel Institut für Weltwirtschaft (ifw) am Donnerstag berichtete.
In dieser Zeit seien Hilfszusagen von insgesamt 2,11 Milliarden Euro eingegangen. Das bedeutet einen neuen Tiefstand. Die Hilfe ist so niedrig wie noch nie seit Ende Jänner 2022 - knapp vor dem russischen Überfall. „Unsere Zahlen bestätigen den Eindruck einer zögerlicheren Haltung der Unterstützer in den vergangenen Monaten“, betonte Christoph Trebesch, Leiter des Teams, das den Ukraine Support Tracker erstellt. Die Ukraine sei zunehmend von einigen wenigen Kerngebern abhängig, zu denen etwa Deutschland, die USA oder die nordischen Länder zählten.
„Verzögerung stärkt Putin“
Angesichts der Ungewissheit über weitere US-Hilfen könne die Ukraine nur hoffen, dass die EU ihr seit langem angekündigtes 50-Milliarden-Euro-Hilfspaket verabschiede. „Eine weitere Verzögerung würde Putins Position deutlich stärken“, fügte Trebesch mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin hinzu.
Die oppositionellen US-Republikaner hatten am Mittwoch ein Hilfspaket in Höhe von 106 Milliarden Dollar (rund 98 Milliarden Euro) für Israel und die Ukraine im Senat vorerst blockiert. Mittlerweile haben die Länder der Europäischen Union mit der zugesagten Militärhilfe die USA überholt. Zwischen August und Oktober haben die EU-Länder demnach 780 Millionen Euro für schwere Waffen zugesagt, gegenüber 500 Millionen Euro von den USA.
„Neue Zusagen Deutschlands und der nordischen Länder seit August 2023 stützen diesen Trend, insbesondere durch neue Patriot- und IRIS-T-Flugabwehrsysteme aus Deutschland und 19 F-16-Kampfflugzeuge aus Dänemark“, heißt es weiter.
Österreich bei Finanzhilfen im Spitzenfeld
Der größte Geber von Militärhilfe seien nach wie vor die USA mit einem Gesamtvolumen von 44 Milliarden Euro. Deutschland hole jedoch mit militärischen Zusagen in Höhe von mehr als 17 Milliarden Euro rasch auf. Österreich leistet als neutraler Staat keine militärische Hilfe. Die humanitären und finanziellen Zusagen Österreichs belaufen sich in Summe demnach auf rund 750 Millionen Euro bzw. 0,165 der BIP. Österreich rangiert damit auf dem 20. Platz, was die Ukraine-Hilfe pro Bruttoinlandsprodukt betrifft. Bei der finanziellen Hilfe allein steht Österreich laut dem ifw auf Rang fünf.
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